Frauen* in Österreich erleben unter Schwarz-Blau eine Regierung, die versucht, ihnen hart erkämpfte Rechte nach und nach zu nehmen – zugunsten eines konservativen Rollenbildes. Manches, wie die Bewertung von Arbeitssuchenden via Algorithmus, der Frauen und Minderheiten automatisch schlechter einstuft, geschieht unter den Augen der Öffentlichkeit. Anderes, wie die parlamentarische Bürgerinitiative “fairändern” wird im Verborgenen vorangetrieben.
Bei dieser Bürgerinitiative handelt es sich um einen Katalog an Forderungen, der Schwangerschaftsabbrüche, und damit das Selbstbestimmungsrecht schwangerer Frauen*, empfindlich einschränken will. Unter den 56.000 Unterstützer*innen sind prominente Vertreter*innen, wie die besonders von Menschen mit Behinderung kritisierte ÖVP-Behindertensprecherin Kira Grünberg, Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ).
Schwangerschaftsabbruch bei embryopathischer Indikation?
In diesem Forderungskatalog findet sich auch ein Angriff auf das Recht des Schwangerschaftsabbruchs bei embryopathischer Indikation. Das bedeutet, dass eine Schwangerschaft bis zum Zeitpunkt der Geburt beendet werden darf, „wenn […] eine ernste Gefahr besteht, daß das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde […]“ (§ 97 StGB). Gerechtfertigt wird dies mit der Floskel, man wolle die “Diskriminierung von behinderten Kindern vor der Geburt” beenden.
Die Erstunterzeichnerin Petra Plonner sagt: „Ich möchte bewirken, dass sich in einem fortschrittlichen und fürsorglichen Land wie Österreich keine Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt fühlt.” Ein bereits für sich gewagte Aussage – aber angesichts des Umgangs Österreichs mit Behinderten an Zynismus kaum zu überbieten.
Leben mit Behinderung in Österreich
Denn Österreich ist kein behindertenfreundliches Land. Als Frau mit einer Schwerbehinderung erlebe ich beinahe täglich Ausschluss und Benachteiligung, und das oft schon auf Gesetzesebene. Die Regelung der “begünstigten Schwerbehinderung” diskriminiert betreffende Personen am Arbeitsmarkt. Barrierefreiheit und Inklusion werden auch nach Unterschreiben der UN-Behindertenrechtskonvention, die im Oktober 2008 in Kraft trat, beschnitten statt ausgebaut. Förderschulen und Behindertenwerkstätten werden wieder vermehrt unterstützt, und Menschen mit Behinderung somit aus der Mitte der Gesellschaft ausgeschlossen. Im August 2018 wurde Menschen mit Behinderung die erhöhte Familienbeihilfe gestrichen. Das bedeutet eine erhebliche Einbuße von rund 380 Euro im Monat, was die Finanzierung eines selbstbestimmten Lebens noch schwerer macht.
Hinzu kommt die gesellschaftliche Stellung von Menschen mit Behinderung: Behinderungen werden als Makel, als Fehler betrachtet und Eltern behinderter Kinder müssen sich nicht selten die Frage gefallen lassen, ob man “das” nicht hätte verhindern können. Nicht selten hatten nichtbehinderte erwachsene Personen in ihrem Leben noch nie Kontakt mit behinderten Personen.
Die Inklusion behinderter Kinder wird gern als “zu teuer” oder zu aufwändig abgetan, was bei Betreuungsplätzen beginnt und bei der Schulbildung endet. Oft ist ihr Weg von Förderschulen bis zum Leben in Heimen und zum Taschengelderwerb in Werkstätten vorgezeichnet. All das findet am Rande der Gesellschaft in einer abgeschlossenen Parallelgesellschaft statt, aus der sie selbst keinen Ausweg finden.
Freiwilligkeit, Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung.
Ein behindertes Kind zu bekommen bedeutet für die Eltern nicht selten ein Ausschluss aus der Gesellschaft und eine finanzielle Mehrbelastung durch nicht gesicherte Pflege und Betreuung. Ist diese Belastung nicht leistbar, droht Armut und Verschuldung.
Unfreiwillig ein behindertes Kind zu bekommen setzt sie zusätzlich einer großen psychischen Belastung aus, denn sie konnten sich nicht freiwillig für diese Situation und die lebensverändernden Folgen für die kommenden Jahrzehnte entscheiden. Auch die Möglichkeit einer Adoption ist unter diesen Gesichtspunkten kein Argument, das betreffende Frauen wirklich entlastet. Denn genau darum geht es: Freiwilligkeit. Entscheidungsfreiheit. Selbstbestimmung. All das zu haben wertet das Leben mit Behinderung nicht ab, im Gegenteil. Es ermöglicht eine bewusste Entscheidung dafür.
Österreich ist ein Land, das den Abbruch von Schwangerschaften bei embryopathische Indikation, also beim Verdacht einer Behinderung, abschaffen möchte, aber das keine Strukturen schafft, damit Menschen mit Behinderung ein gleichberechtigtes Leben führen können. Bestehende Strukturen werden sogar eingeschränkt oder abgeschafft.
„fairändern“ verhindern!
Die tatsächliche Umsetzung der Petition “fairändern” wäre daher ein empfindlicher Eingriff in das Recht der Selbstbestimmung von Frauen* und sollte zwingend verhindert werden.
Keine Frau beendet eine Schwangerschaft gern oder leichtsinnig. Auch den Wert eines Lebens mit Behinderung wird der Großteil von ihnen vermutlich nicht in Frage stellen. Die Anerkennung des Werts behinderten Lebens ändert aber nichts daran, dass
Frauen* ausnahmslos selbst bestimmen sollten, ob sie ein Kind bekommen möchten oder nicht – unabhängig von einer (vermuteten) Behinderung. Gleichzeitig muss das Leben von Menschen mit Behinderung zwingend in die Mitte der Gesellschaft verlegt werden und gleichberechtigt erfolgen, was unter anderem die lückenlose Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erfordert. Dann haben auch mehr Frauen* die Möglichkeit, sich bewusst für ein Kind mit Behinderung zu entscheiden.
Dieser Text erschien in anderer Form auch auf https://kontrast.at/petition-fairaendern/