Problem Arztbesuch – Ein Mitmachtext


Meine Texte versehe ich gerne mit Ideen oder Lösungen. Ich ende, wenn möglich, mit einem Rat oder zumindest mit ein paar positiven Worten. Heute kann ich das nicht, denn hierzu habe ich keine Lösung. Nur ein wirklich großes Problem. Und die leise Hoffnung, zusammen mit euch, meinen Leser*innen, vielleicht zu einer Teillösung zu kommen. Das hier ist also ein Mitmachtext. Ergänzt ihn bitte um eure konstruktiven Ideen, indem ihr die Kommentarfunktion nutzt.

Menschliche Körper funktionieren nicht immer reibungslos, hin und wieder weisen sie Verschleißerscheinungen oder kleine Defekte auf. “Zeit, um zum Arzt zu gehen”, denkt ein durchschnittlicher, nichtautistischer Mensch ohne Behinderungen dann, greift zum Telefon und vereinbart einen Termin. Mancher setzt sich auch gleich unangemeldet in eine Sprechstunde oder eine Ambulanz, je nachdem, wie groß und dringlich das gesundheitliche Problem ist. So einfach sieht es zumindest nach außen hin aus.

Und ein Mensch mit Autismus? Da gestaltet es sich deutlich komplizierter. Wie auch beim nichtautistischen Mensch kann man natürlich nicht verallgemeinern, jeder geht anders damit um, kommt mehr oder weniger gut im Gesundheitssystem zurecht, hat mehr oder weniger Hilfe. Aber folgende Geschichte ist vielen sicherlich nicht ganz fremd:

Clara atmet flach. Sie hat Schmerzen. Ihr Körper hat ein Problem, er macht etwas Eigenartiges, weist eine Unregelmäßigkeit auf. Es läuft etwas nicht wie gewohnt und Clara hat Schmerzen. Das verändert ihren Alltag, verunsichert und löst Stress aus. Es macht Angst. Sie weiß, sie muss zum Arzt, sonst wird es keinesfalls besser, also recherchiert sie, ob es jemanden in ihrer Nähe gibt und die Praxis auch Termine per Mail vergibt. Doch das machen nur wenige, sie findet keine. Also muss sie ihre Freundin bitten, für sie dort anzurufen. Das tut sie jedes Mal, wenn es nötig ist, darüber ist Clara froh. Aber es ist trotzdem immer wieder eine große Überwindung für sie, danach zu fragen. Egal, wie vertraut man ist, die Scham über das Bedürfnis nach Hilfe verschwindet nicht, darum wartet sie noch einige Tage, bis sie darum fragt. Aber dann erhält sie einen Termin.
Die Tage sind inzwischen rot geworden. Der Schmerz ist hungrig, er frisst Tabletten und auch ihre Kraft, macht, dass sie sich nicht mehr so gut konzentrieren kann, schlecht schläft und schneller überlastet.

Ihre Freundin, die, die für sie telefoniert, begleitet sie zum Termin. Alleine traut sie es sich – vor allem bei einem neuen Arzt – immer seltener zu und sie hat das, was sie sagen will, so oft geprobt, dass sie es notfalls auch tanzen können sollte. Im Sprechzimmer aber gelingt Clara kein Satz mehr. Sie schämt sich. Stammelt. Versucht, bemüht sich. Beschreibt so plastisch sie nur kann. Übt Eindringlichkeit.
“Ist nicht so schlimm, das wird bald wieder”, sagt der Arzt, gibt ihr ein Rezept und schickt sie heim. Dort wartet Clara ab. Nimmt neue Tabletten, zeigt sich geduldig. Es wird nicht, obwohl es soll, es wird nicht, obwohl es muss. Sie ist falsch, ihr Körper ist falsch, mal wieder. Es ist die Summe des Falschseins, des Schonimmerfalschgewesenseins, die sie nicht daran zweifeln lässt. Der Schmerz ist noch immer da, Clara kennt ihn inzwischen gut. Sie hat sich an ihn gewöhnt, lebt mit ihm, arrangiert sich, denkt ihn mit. Sie weiß in etwa, wie viele Tabletten sie an ruhigen Tagen braucht und wie viele an stressigen – an diesen ist er hungriger, fordernder. Sie ist vorbereitet, denn er ist jetzt ein Teil von ihr.

Vermutlich sollte sie ein zweites Mal zum Arzt, aber sie hat keine neuen Worte für ihn und zu viel Angst, dass es ja doch wieder nur werden muss und sie lästig ist, oder der Arzt gar glaubt, sie würde simulieren. Sie will dort nicht noch einmal hin. Und bei einem anderen passiert sicherlich das gleiche, davon is Clara überzeugt.

Barrierefreie Möglichkeiten zur Terminvergabe gibt es immer mehr. Begleitpersonen sind eine Möglichkeit, an Stichpunktlisten kann man zumindest denken. Damit sollte es doch klappen, denkt man, doch das ist für Autist*innen zu kurz gedacht. Menschen mit Kommunikationsschwierigkeiten und einer von der Masse abweichenden Wahrnehmung brauchen eine umfassendere Hilfe, will man ihnen einen normalen, angemessenen Zugang zur medizinischen Versorgung bieten.

Die autistische Wahrnehmung beeinträchtigt lange, bevor man überhaupt einem Arzt gegenübersitzt. Es beginnt oft schon mit der Frage, wann ein Schmerz oder eine Beschwerde seelischer oder körperlicher Natur relevant genug ist. Einen Arztbesuch in den Alltag zu integrieren kann enorm herausfordernd sein, vor allem für berufstätige Autist*innen, Schüler*innen oder Studierende. Allein der Gedanke, zu einem Arzt zu müssen, kann furchtbar ängstigen und lähmen. Kleine Wehwehchen wachsen sich dadurch schnell einmal zu ausgewachsenen gesundheitlichen Problemen aus. Und es sind ja nicht nur ungeplante Termine, auch Routineuntersuchungen und Vorsorge können für Autist*innen schwer zu bewältigen sein.

In der Sprechstunde korreliert die Vermittlung dieser Probleme, egal ob groß oder klein, mitunter massiv mit den Kommunikationsschwierigkeiten, die auch weniger auffällige und sprechende Autistinnen in ausgeprägter Form haben können. Hilfsmittel wie Stichpunktlisten sind unter Umständen nicht einsetzbar, wenn die Zeit in der Sprechstunde fehlt. Und auch eine gut ausgearbeitete Liste garantieren kein Verständnis. Ist es allein die “neurotypische Performance”, die fehlt? Wo beginnt das Problem? Warum erhalten viele Autist*innen nicht die medizinische Versorgung, die sie brauchen und welche Veränderungen wären nötig, um diese zu garantieren?

 

Disclaimer: Auch nichtautistische Menschen können Probleme mit der ärztlichen Versorgungslage haben, das ist mir bewusst. An dieser Stelle möchte ich es aber als autistisches Problem betrachten und gemeinsam mit euch an einer barrierefreien Lösung arbeiten.

26 Gedanken zu „Problem Arztbesuch – Ein Mitmachtext

  1. Wenn ich weiß was ich habe versuche ich den ersten oder zweiten Termin nach Praxisöffnung zu bekommen um Wartezeit zu reduzieren. Wenn ich es nicht weiß, dann bitte ich um den letzten Termin, weil ich nicht möchte, dass Patienten wegen mir warten müssen.
    Außerdem gehe ich erstmal immer zum gleichen Arzt und bitte bei Telefonaten um ein Gespräch mit „meiner“ Arzthelferin.
    Im Wartezimmer hab ich oft Musik und Buch dabei.
    Ich stelle im Gespräch viele Fragen, z.B. Welche Symptome noch zu dem gehören, was ich wahrscheinlich habe.
    Wenn ich bei einem Facharzt war, gehe ich gerne nochmal zu meinem Arzt und halte Rücksprache, wie es weiter geht.

    Also Vertrauen zum Arzt aufbauen, wir sind „per du“. Es muss der richtige sein, ich möchte mich wohlfühlen.

  2. Immer wieder lese ich von sogenannter Barrierefreiheit bei Zugängen; dabei ist aber nur an körperliche Behinderung gedacht, meist an Rollstuhlfahrer.

    Dass aber eine alleinige Kontaktmöglichkeit per Telefon für einen Autisten eine schier unüberwindliche Barriere sein kann, daran denkt offenbar keiner. Und dieses Problem haben Autisten – also auch ich – nicht nur bei Arztpraxen, sondern auch bei vielen Behörden. Unbeeindruckt davon wird aber auf Websites und bunten Prospekten von der ach so inklusiven Barrierefreiheit geschwärmt.

    Barrierefreiheit muss anscheinend etwas kosten und vor allem, sie muss sichtbar sein, damit sie umgesetzt wird. Eine solch banale Einrichtung wie die Möglichkeit über E-Mail Kontakt aufzunehmen ist da deutlich zu wenig werbewirksam.

    Und wenn wirklich eine E-Mail-Adresse angegeben ist, dann ist es leider gar nicht selten, dass man entweder gar keine Antwort bekommt oder ganz sinnvolle Antworten wie „Bitte rufen Sie unter der Nummer ## ## ## ## an“. Damit bin ich wieder dort angelangt, wo ich schon ganz am Anfang war. So gesehen ist Deutschland noch ein Entwicklungsland beim Umsetzen der Inklusion.

    Werner
    http://www.as-tt. de

  3. Ich hab einen Hausarzt, der der erste Ansprechpartner für mich ist. Da muss ich nicht anrufen, einfach vorbeikommen und für das Wartezimmer hab ich dann ein Buch und eine Wasserflasche dabei. Ich hab generell immer eine Flasche Wasser dabei, weil ich Kreislaufprobleme hatte als Teenager und öfter ohnmächtig geworden bin, daher will ich immer hydriert bleiben.

    Um nichts zu vergessen, schreibe ich mir alle meine Probleme auf und sag die dann und er sagt dann, was man machen kann. Er schreibt auch Überweisungen an andere Fachärzte für mich, wenn etwas weiter untersucht werden sollte.

    Ansonsten hab ich vor allem Schwierigkeiten damit, Arztbesuche zu machen, also Termine dafür zu machen. Ich denke da nicht so dran und dann kommt es nicht zu einer Vorsorge, die ich aber bräuchte.

    1. Mir ist da noch was zu eingefallen. Ich habe den Eindruck, viele Autisten, vor allem autistische Frauen, sind so sehr darauf erzogen, „keine Probleme zu verursachen“, dass sie sich nie überzeugend bei anderen Menschen beschweren, sodass ein Arzt sie dann auch nicht ernst nimmt. Ich persönlich jammere möglichst viel und beschwere mich möglichst viel, damit der Arzt versteht, dass es mir wirklich wichtig ist. Das ist bei individuellen Beschwerden jedenfalls so. Beim Zahnarzt zum PZR ergibt das ja keinen Sinn, da muss ich einfach nur hin und mich bearbeiten lassen. Das fällt dann natürlich auch leichter. Also, überzeugend viel jammern und beschweren und keine Beschwichtigungen akzeptieren, sondern nur echte Hilfe. Geht bei mir jedenfalls.

  4. Ich gehe nur in Begleitung von Sozialarbeitern zum Arzt, bzw lasse ich die Termine auch von diesen ausmachen. Anders ginge es gar nicht. Ich kann weder alleine raus, noch telefonieren. (Meinen Sozi kenne ich seit ca 10 Jahren und da geht das wenigstens einigermaßen.) Das „Problem“ ist dann dass ich von den Ärzten/Behörden oft im Gespräch vollkommen ignoriert werde, weil sie mich irgendwie imo als „behindert“ empfinden, und nur mit meinem Sozi reden. Einerseits ist das gut, weil ich nix reden muss, aber andererseits macht es mich aggressiv, weil das was ich sage anscheinend keine Bedeutung hat.
    Ich würde mir wünschen ich könnte Ärzten vorab emails schicken (über die ich ein paar Tage nachdenken kann. Oder verändern kann.) um mein(e) Problem(e) vorab zu schildern. Im persönlichen Gespräch geht das nicht. Entweder will ich sofort wieder raus, oder ich werde ignoriert.

  5. Viele Punkte hast Du schon angesprochen, z.B. die Barrierefreiheit schon bei der Anmeldung (die wirklich ein riesen Problem ist, weil meist nicht vorhanden).
    Oder die Vertrauensperson, die als Mittler/Übersetzer dienen kann. Sich aber möglichst nicht in den Vordergrund drängt bzw. drängen lässt. (Was leider viel zu oft passiert)

    Das Ärzte sich darauf einlassen müssen, genau zuzuhören, ist ein wichtiger Punkt. Einen Arzt zu finden, der dies tut ist unheimlich schwer. Da dies ja nicht auf dem Praxisschild steht.

    Um die Diagnostik von körperlichen Problemen zu erleichtern, empfinde ich es als sinnvoll, dies bereits zu Hause aufzuschreiben. Und zwar nicht nur Stichpunktartig, sondern z.B. die Bewegung und den darauf folgenden Schmerz so genau wie möglich beschreiben. Auch, seit wann er besteht und ob er sich unter anderen Bedingungen wie verändert.
    Im besten Fall dies dem Arzt vorab per Mail schicken zu können, damit er dazu weitere Fragen stellen kann (schriftlich) um diese dann genau bedenken zu können und dann ebenfalls schriftlich zu beantworten, wäre von großem Vorteil.

    Ärzte, die dann noch auf darauf eingehen, dass Berührungen vielen Autisten sehr unangenehm sind (was sich bei den meisten Diagnostiken aber nicht verhindern lässt) und dies a) respektieren und dann b) jeden Schritt erklären und kurze, verständliche Fragen stellen, wären ein Gewinn.

    Zur Frage der Relevanz, ab wann ein Arztbesuch notwendig ist; für meine Begriffe dann, wenn ein unerklärlicher Zustand / Schmerz über einen längeren Zeitraum als 5 Tage anhält oder in regelmäßigen Abständen immer wieder auftritt. Wenn Tabletten zum aushalten genommen werden müssen, sowieso.

    Das größte Problem meines Erachtens ist, dass es ein großes Vertrauensverhältnis zum Arzt geben muss. Das dieser bei Überweisungen an Fachärzte von selber bereits darauf verweisen sollte, dass es hier einer besonderen „Form“ (ich weiß grad nicht, wie man das besser ausdrücken könnte) der Untersuchung und Anamnese braucht. Weil jedes Mal muss man ja neu erklären/aufklären. Was zusätzlichen Stress auslöst.

    Das Wissen über Autismus und die dadurch entstehenden Kommunikationsprobleme muss mehr Beachtung in der Medizin finden. Die Diagnose gehört ins Stammblatt. Bei jedem behandelnden Arzt.

    1. Das mit der Diagnose im Stamblatt ist eine verlockende Idee. Leider muss ich aus der Praxis mit anderen Erkrankungen berichten, das dies bei weitem nicht so hilfreich ist, wie es erscheint.
      Ich bin seit vielen Jahren Clusterkopfschmerz und Migränepatient. Das ist bekannt, definiert und es gibt publizierte Leitlinien die inhaltlich gut sind. Trotzdem kann die überwiegende Mehrheit der Ärzte nicht damit umgehen.
      Es gibt Ärzte, die das Richtige tun und davon gibt es sogar von Jahr zu Jahr mehr. Aber trotzdem gibt es immer noch eine erschreckend große Anzahl von Betroffenen, die nach einiger Zeit feststellen müssen, das der behandelnde Arzt offensichtlich nur die Überschriften der Therapieleitlinien gelesen hat.
      Die Selbsthilfe und die Ärzte selber pflegen daher Listen von denjenigen, die sich mit dem Themenbereich auskennen und damit auch das nötige Einfühlungsvermögen zeigen. Es braucht aber immer noch die nötige Selbstverantwortung beim Patienten sich darum zu kümmern an die richtige Stelle zu kommen.
      Etwas desillusionierend, aber es ist noch schwerer die Welt zu ändern als sich selber.

      1. Ohne Vermerk habe ich (leider auch Erfahrungswerte) allerdings noch mehr an Unverständnis und vor allem Übergriffigkeit von Ärzten erlebt. Und da handelte es sich nur um meine Kinder im Teenageralter.

        Es wurden Dinge verlangt, mit hohem Druck und lauter Sprache, die nach dieser „Ansprache“ überhaupt nicht mehr leistbar gewesen wären.

        Erst der Einwurf, dass mein Kind Autist ist und ein „stell Dich mal nicht so an“ nicht angebracht ist. Das sie erklärt haben muss, dass auch wenn es weh tut, diese Untersuchung notwendig ist, brachte uns weiter.

        Es geht ja nicht (ausschließlich) darum die Welt zu verändern, sondern um Möglichkeiten einer guten ärztlichen Behandlung / Diagnostik auszuloten. Und wer an welchem Punkt was dazu beitragen kann.

        1. Eine ausreichende medizinische Versorgung sollte für alle Menschen gewährleistet sein, da sind wir uns einig. An dieser Stelle möchten wir uns aber auf Autist*innen konzentrieren, denn da ist es einfach nicht mit schriftlicher Terminvereinbarung und Begleitpersonen getan. Leider. Die Probleme beginnen schon weit vorher und enden auch nach dem Arztbesuch nicht. Und ja, wir sollten die Welt verändern. Wir müssen. Für Autist*innen und Nichtautist*innen. Das ist nicht zu viel gewollt, finde ich.

          1. Ich hätte rein gar nichts gegen eine entsprechende Änderung der Welt. Da das aber leider eher unwahrscheinlich ist, müsste man mit einer sehr sehr großen Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen an eine solche Aufgabe gehen. Das ist meine Einschätzung dessen, auf was man sich da einlässt. Ich würde mich aber freuen, wenn ich falsch liege.

  6. Ich ziehe es auch raus, solange es irgend geht. Ich war Jahre nicht beim Arzt, weil der, wo es ging geschlossen hat. Erst vor kurzem war es nötig. Ich hatte Glück. Die neue Ärztin ist die Freundin einer Freundin, die schon vorgewarnt war. Es gibt generell keine Termine und mit Buch und Musik ist es gut auszuhalten. Ich musste nicht viel reden – allerdings gab es das Problem, dass eine Praktikantin da war. So habe ich quasi gar nichts gesagt. Hätte es die Freundinnenvorbereitung nicht gegeben, wäre der Effekt klar gewesen. Allerdings scheint sich diese Ärztin wirklich Zeit zu nehmen. Es mag daran liegen, dass sie auch viele Patienten hat, die kein Deutsch sprechen, die aus anderen Kulturen kommen etc…
    Strategisch mache ich es wie Julia: möglichst nach Praxisöffnung da sein, um schnell wieder raus zu sein und dann den Rest des Tages zur Erholung nutzen. Denn die brauche ich dann bestimmt. In der anderen Praxis zu der ich muss, kann ich Termine per Email machen – auch absagen. Sie legen mir die Termine auch so, dass „meine“ Helferin da ist. Außerdem ist immer nur ein PatientIn gleichzeitig da. Das dimmt den Stress. Ich bin dort auch schon seit zehn Jahren und sie kennen meine Geschichte.

  7. Für mich scheint es, als sei letztlich die Kommunikation der Kernpunkt der Problematik.
    Die können übrigens auch viele Neurotypische an der Stelle nicht so wie gewünscht oder gar gefordert. Die können zwar Kommunizieren, sagen aber irgendwas und berichten dem Arzt nicht unbedingt was dieser wissen muss oder will. Also eher Plappern als Kommunizieren. Oder sie halten Informationen ganz bewusst zurück, weil ihnen irgendetwas peinlich ist. In beiden Fällen geht man zwar ohne Angst zum Arzt, jedoch ohne brauchbare Hilfe wieder nach Hause.
    Aber das ist eine andere Baustelle.
    Um die Kommunikation sicherzustellen braucht es Vertrauen und für die bräuchte es Zeit. So sehr ich den Wunsch nach der „sanften“ Kontaktaufnahme per Mail verstehe, so sicher bin ich, das dieses Verfahren nur von einzelnen Praxen angeboten wird. Und wenn, dann oft wie schon beschrieben mit dem Hinweis, das man doch anrufen solle.
    Das geht einfach schneller und wird daher so bleiben.
    Hängt aber auch von der Facharztrichtung ab und worum es überhaupt geht. Bin ich in Behandlung und möchte z.B. nur ein Rezept, dann lässt sich das Hervorragend per EMail abwickeln. Dazu muss man sich aber „kennen“. Hilft also nicht bei der Problemstellung Kontaktaufnahme.
    Ich glaube nicht, das sich hier eine wirkliche Barrierefreihei jenseits von Rollstuhlrampen erreichen lässt. Zum einen weil nicht sichtbare Beeinträchtigungen nie so wahrgenommen werden wie sichtbare und zum anderen weil davon schlicht und ergreifend viel zu viele gibt.
    Bleibt der Eigeninitiativ geschickte Umgang mit der Aufgabenstellung.
    Meine Idee dazu: Nicht allein in die Situation gehen, sondern mit einer Vertrauenperson an seiner Seite.
    Wenn ich nicht irre, dann gibt es sogar ein dafür vorgesehenes Konstrukt. Die Betreuung. Gern dramatisiert und gedanklich mit einer Entmündigung zusammengebracht. Stimmt aber so gar nicht. Zudem kann eine Betreuung nur für bestimmte Teilaspekte, wie eben den gesundheitlichen, genutzt werden.
    Es ist eine Weile her, das ich Kontakt zu Betreuern von der Lebenshilfe hatte, aber ich bin glaube, das dies ein hilfreiches Konstrukt sein könnte.
    Ohne praktische Erfahrungen ist das natürlich nur eine Idee. Und natürlich auch eine, die einen gewissen Vorlauf braucht. Damit man im Bedarfsfall bequem darauf zurückgreifen kann.

    1. Die Betreuung, die ich ebenfalls für eine hervorragende Hilfsmöglichkeit halte, wenn sie korrekt durchgeführt wird, gibt es nur in Deutschland, nicht in anderen deutschsprachigen Ländern. Das ist das erste Problem. Weiters hilft auch eine begleitende Vertrauensperson nicht weiter, davon kann nicht nur ich berichten. Ja, in der Kommunikation sehe ich ebenfalls das Hauptproblem, aber das ist nicht einfach so zu lösen. Weder selbst, noch durch Begleiter*innen.

      1. Dann kann aber eine Betreuung zumindest für einige eine Lösung sein. Das wäre ja schon ein Gewinn.
        Wo und wie stellt sich das Problem denn dar, wenn eine mittelnde Vertrauensperson als Begleitung dabei ist und auch bei der Terminvermittlung unterstützt?

        1. Die begleitende Person kann keine funktionierende Kommunikation und damit zielführende Behandlung garantieren. Manchmal klappt es sicher, aber nicht jedes Mal, vollständig und problemlos. Das kann wiederum zur Verstärkung gesundheitlicher Probleme und zu weiteren Vermeidungssituationen von Behandlungen führen. „Wenn es nicht einmal ein nichtautistischer Mensch schafft…“ denkt man dann vielleicht und zweifelt vollends an sich.

          1. Korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege.
            Eine Begleitung kann hilfreich sein, muss aber nicht. Im autistischen Spektrum hat zudem jeder seine ganz individuellen Bedürfnisse und es kann keinen Königsweg geben. Und Kinder haben sicherlich noch einmal ganz andere Bedürfnisse als Erwachsene.
            Es kann also nicht nur eine Empfehlung geben, sondern eine Reihe von Empfehlungen. Das kann dann aber wieder ein Problem darstellen, da unter diesen die für einen selbst richtige ausgewählt werden muss.

          2. Da aber das ganze Spektrum Diagnosekriterien hat und von 3 Hauptproblemen geeint wird, kann man durchaus grobe Empfehlungen geben, denke ich.

          3. Das denke ich auch. Kann man bestimmt. Und sollte man auch. Die zu bestimmen und zu bewerten mag ich mir jedoch nicht anmaßen, da mir persönlich solche Probleme an der Stelle eher fremd sind. Es hat allerdings auch einige Jahre gedauert bis die (für mich) richtigen Ärzte gefunden waren zu denen heute ein so herzliches Verhältnis besteht, das ich mich über einen Termin geradezu freue.
            Daraus kann man vielleicht die banale Empfehlung ableiten: Nicht aufgeben. Die Chemie zwischen Arzt und Patient muss stimmen und die lässt sich nicht erzwingen. Der erste Arzt im Telefonbuch, der Nächstgelegene, oder der mit dem frühestmöglichen Termin muss nicht zwingend der Richtige sein.
            Wenn ich es richtig verstehe, dann gilt es in dem Fall noch zu vermeiden die „Schuld“ bei sich selbst zu suchen.

  8. Für mich gibt es während und um Arztbesuche herum einige Probleme und ich habe mit ärztlichen Behandlungen und allem Drumherum so viele und eher negative Erfahrungen gemacht, dass ich generell gefühlsmäßig schon Alarm habe, wenn ich an „Arzt“ nur denke.

    Der Klassiker, zur Terminvereinbarung telefonieren zu müssen, ist auch eines meiner Probleme. Kostet manchmal allein schon manchmal Wochen oder Monate Überwindung. In denen ich mit Schmerzen oder anderen gesundheitlichen Problemen herumlaufe. Schildere ich das am Telefon oder der Rezeption, wird mein Problem als nicht dringend eingestuft, obwohl es manchmal gerade wegen der Verzögerung das Stadium „nicht mehr aushaltbar“ erreicht hat. Dass ich dann erst in Monaten einen Termin bekomme, weil es ja nicht akut ist, ist häufig die Folge. Hier wäre es hilfreich, dass einem geglaubt würde, dass man große Überwindungsschwierigkeiten hat, die auch bei starken Schmerzen manchmal schwerwiegender sind. Man wird abgewimmelt, man solle sich mal nicht so haben.

    Weiteres Problem ist oft das Unverständnis und die Unfreundlichkeit des Personals, also der Rezeptionist*innen und Arzthelfer*innen. Wenn man da lediglich Fragen stellt z.B. ob man draußen warten kann oder wenn man z.B. seine Telefonnummer nicht nennen möchte, sondern eine E-Mail-Adresse angeben möchte, wird man häufig behandelt, als wäre man die personifizierte, verwöhnte Dreistigkeit. Es wird mit den Augen gerollt, ge-*tssst*, „Also wirklich!“ gesagt, gelacht, auf mich eingeredet in einem Tempo und mit vielen Untertönen und Konnotationen, die feindselig sind und mich völlig überfordern, man wird verächtlich gemacht und es wird einem das Gefühl gegeben, man spinnt total.
    Mir hat das in der eh strapaziösen Situation des Arztbesuches an sich, der mich lange Überwindung gekostet hat, schon mehrmals Meltdowns verursacht. In der Psychiatrie vor einiger Zeit habe ich mich dann wider aller Scham trotzdem im Wartebereich auf den Boden gesetzt, geheult und hyperventiliert. War ja die Psychiatrie, die kommen ja sicher damit klar, dachte ich mir. Bei anderen Ärzten bleibt mir dann keine andere Möglichkeit, als raus zu rennen, mir schnell irgendwo ein Versteck zu suchen und mich dort einzuigeln, bis der Meltdown vorbei ist. Und zu hoffen, dass keiner mich hört/sieht oder es allen zu peinlich ist, mich anzusprechen.

    Dann die Warterraumsituation. Grelles Licht, Geräusche aus allen Richtungen, häufig Lüftung, oft Musik, man muss auf Stühlen sitzen, was ich nicht lange gut ertragen kann und wo ich mich am liebsten in der Kinderecke auf dem Teppich zusammenkrümeln würde, was ich mich aber nicht traue. Ohrstöpsel können mir helfen. Lesen kann ich nicht, Musik hören auch nicht in dieser Situation. Ich würde gerne draußen oder im Auto warten und dann reingeholt werden oder per SMS aufgerufen werden.

    Dann natürlich der Arztbesuch an sich. Das ist für mich meist nicht so das große Problem. Ich mag es auch, wenn mir genau angekündigt wird, was als nächstes passiert. Das machen aber viele Ärzte schon von sich aus meiner Erfahrung nach.
    Aber auch hier wieder: wenn man ansetzt, das Problem zu schildern, wird man häufig unterbrochen. Dann darf man nur maximal 3 Symptome nennen, sonst ist das schon zuviel. Vorgeschichte schildern wird komplett verhindert. Dinge werden nicht ernstgenommen, verharmlost. Und dann – ohne direkt zu versuchen herauszufinden, was wirklich los ist mittels zuhören und Untersuchungen – wird erstmal X oder Y probiert. Und wenn es nicht hilft, soll man nochmal wiederkommen. Dieses Wiederkommen ist für mich ein großes Problem, vor allem, wenn es mehrmals passiert. Mehr als 3 Arztbesuche pro halbes Jahr sind für mich fast nicht zu meistern. Es belastet mich permanent, wenn ich weiß, ich muss demnächst wieder zum Arzt. Hinterher brauche ich lange Erholung. Häufige Arzttermine führen zu Schlafstörungen, vermehrter exekutiver Dysfunktion und beeinträchtigen meine Leistungsfähigkeit im gesamten Alltag. Und nach dem 3. Arzttermin kann ich eben manchmal einfach nicht mehr und mein gesundheitliches Problem muss erstmal warten, weil die Probleme, die mir die Arztbesuche verursachen, lebenseinschränkender sind und bald existenzbedrohlich (Jobverlust) werden könnten. Ich würde mir wünschen, dass der Fokus mehr darauf liegen würde, möglichst direkt die Ursache der Beschwerden herauszufinden. Und nicht auf Probieren mit Standardbehandlung für Symptom X mit wiederkehrenden Arztterminen zu bestehen, wenn man mit 2 Minuten längerem Gespräch hätte merken können, dass diese Behandlung nicht funktionieren wird, weil andere Ursache.

    Was mir auch öfter schon passiert ist, dass mir meine Beschwerden abgesprochen wurden. Ich vermute, es liegt daran, dass ich ruhig, gelassen und souverän wirke, wenn ich mein Problem schildere. Nicht wirklich leidend, mitgenommen. Als hätte ich gar kein Problem. Als wäre es nicht dringlich. Hier wäre schön, wenn auch darauf geachtet würde, was man erzählt, nicht wie man es erzählt und auch ohne die passende Leidensmine geglaubt werden würde.

    In Zeiten, in denen ich berufstätig war, musste ich bei jedem Arzttermin Urlaub nehmen. Manchmal auch mehrere Tage. Da ich alles zusammen nicht schaffen würde, jedenfalls nicht ohne mich selbst und evtl. auch andere in Bredouillen oder gar Gefahr zu bringen. Ich bin durch die Belastung dann auch unglaublich verpeilt und muss einfach sicher ausschließen, dass ich nicht unterwegs versehentlich vor’s Auto laufe. Hier wäre eine Krankschreibung hilfreich. Aber das habe ich mich auch nach der Autismus-Diagnose bisher noch nie getraut, zu fragen (vorher sowieso nicht).

    Regelmäßige Rezepte, die keine Untersuchung benötigen, wie Pille und Schlaftabletten würde ich gerne nach Anforderung per E-Mail zugeschickt bekommen. Auch das habe ich mich noch nicht getraut, zu fragen.

    Begleitung wäre für mich nicht hilfreich. Ich hätte ständig das Gefühl, es der Begleitung auch noch recht machen und mich um sie kümmern zu müssen. Selbst wenn es eine Vertrauensperson ist. Ich brauche meine Konzentration für mich und meine Kompensation und mit anderen Menschen noch zusätzlich sprechen zu müssen und in meiner Konzentration unterbrochen zu werden, wäre für mich eher ungut.
    Eine Stichpunktliste hatte ich einmal und die Ärztin hat sich auch darauf eingelassen. Bei komplexeren, umfangreicheren Angelenheiten werde ich das auch in Zukunft versuchen.

    Das Hauptproblem ist für mich also, dass Ärzte und Personal die Problematik nicht ernst genug nehmen oder ungewöhnliche Bitten oder Verhalten oft sehr herablassend behandeln und verweigern/verbieten. Dass sich zu wenig auf alternative Möglichkeiten eingelassen wird, selbst wenn der Aufwand für Arzt und Personal dadurch nicht höher wäre. Und dass zu wenig zugehört wird und nur das eine Symptom benannt werden darf, nicht aber was sich drumherum abspielte, was man glaubt, wie es dazu kam etc. Man darf zu wenig ausreden.

    In den letzten paar Wochen hatte ich mit einem positiven Beispiel zu tun, nämlich meinem Zahnarzt, der sich viel Mühe gibt. Da wurde beim vorletzten Mal sogar eine Sonnenbrille gegen das grelle Licht gereicht und nachdem ich einen Overload im Behandlungszimmer vor der Behandlung hatte, auch die Radio-Musik ausgeschaltet und das Personal gebeten, sich leiser zu unterhalten. Das fand ich großartig.

    Danke für den Artikel. Ich weiß auch von vielen Autist*innen mit ähnlicher Problematik.

    1. Das Verzögerungen zu noch mehr Verzögerungen führen ist zumindest kein Autimustypisches Problem. Wer – warum auch immer – Schmerzen oder jedwege andere Missemfpindung aushält, der kann dann halt auch noch etwas länger warten.
      Da fallen mir die Worte aus Marlies langem Radiointerview mit Sven Preger ein. Wenn sie wütend ist, dann merk das keiner, da die neurotypischen Übertreibungen fehlen. Und wenn Sie dann jemandem sagt, das Sie wütend sei sorgt das meist für Erheiterung.

      Regelmäßige Rezepte per Post nach Anforderung per EMail sind zumindest für mich gängige Praxis und gar kein Problem. Hinterlegte Briefumschläge mag meine Ärztin, damit Sie das Porto nicht zahlen muss. Es lohnt sich ganz bestimmt das anzusprechen und zu vereinbaren.

  9. Ich glaube, was man nicht vergessen darf, ist, dass _niemand_ sich für Euch einsetzen wird, der nicht betroffen ist. Niemand sagt: „Hurra, da kommt ein Autist, willkommen! Da informiere ich mich erst einmal ausführlich, um alles richtig zu machen.“ Leider müsst Ihr selbst hartnäckig Eure Interessen vertreten und die Leute wachrütteln. Das ist traurig, frustrierend und sehr ermüdend, aber leider die Realität. Die Leute haben keine Lust, sich mehr Arbeit zu machen, sie hören nicht richtig zu, und sie kompensieren mangelndes Wissen durch Vorurteile.

    Dann sollte man vielleicht noch trennen zwischen a) wenn ich jetzt konkret in der nächsten Woche zum Arzt muss, wie löse ich das Problem? und b) was können wir allgemein für die Barrierefreiheit tun?

    a) Wenn Ihr eine Vertrauensperson habt, die für Euch einen Termin vereinbart, sollte diese auf jeden Fall auch vorher die Bedingungen abklären, z. B. wie entgegenkommend und verständnisvoll ist der Arzt, hat er vielleicht Erfahrung mit autistischen Patienten, wann ist in der Praxis wenig los usw. Wenn darauf nicht vernünftig eingegangen wird, würde ich den gleich abhaken. Außerdem würde ich mich hinsetzen und mir überlegen, was mir am wichtigsten ist und es kurz und bündig aufschreiben. Z. B. „Bitte fassen Sie mich nur an, wenn es sich nicht vermeiden lässt.“, „Bitte warnen Sie mich vor jeder Handlung/Berührung vor.“, „Bitte sprechen Sie mit mir, auch wenn ich nicht antworten kann.“ usw. Diese Liste kann man dem Arzt dann direkt vorlegen, damit er bescheid weiß.

    b) Ich lebe in Nordeuropa, wo Emailkonsultation normal ist. Es gibt ein System, in das man sich als Patient einloggt, nachdem man vom Arzt zugelassen wurde. Die Verbindung ist natürlich gesichert. Wenn man Fragen hat, schreibt man einfach. Und wenn man einen Termin braucht oder ein neues Rezept, läuft das auch darüber. Der Arzt rechnet einfach einen kleinen Betrag für jede Antwort ab.
    Mein Arzt antwortet sogar am Wochenende oder zu den unmöglichsten Tageszeiten. Aber das ist natürlich nicht selbstverständlich. Er nimmt es auch immer ernst, wenn man mit Beschwerden kommt. Wir haben Glück, aber wir haben auch gesucht.
    Übrigens kann man trotzdem anrufen (viele ältere Leute tun sich auch hier noch schwer mit der Technik), und es gibt an zwei Tagen pro Woche eine offene Sprechstunde, wo man einfach ohne Termin vorbeikommt und der Reihe nach drankommt.
    Solch ein System jedenfalls funktioniert. Und es macht sowohl den Ärzten, als auch den Patienten das Leben leichter. Vielleicht muss man mal die Werbetrommel rühren und Ärzte, Krankenkassen, Behindertenverbände, Kassenärztliche Vereinigung, Gesundheitsministerium usw. mit der Nase darauf stoßen.

    1. Danke für den Kommentar, Julia. Deine Kommunikationssituation mit Ärzten klingt in der Tat gut und erstrebenswert.

      Wir kennen es, dass niemand für uns lobbyiert. Wir vertreten uns schon seit Jahren selbst und kämpfen selbst für unsere Interessen. Hier sind wir jedoch erst ganz am Anfang. Ich möchte mir erst einmal verschiedene Situationen und Bedürfnisse anderer Autist*innen anhören, bevor wir gemeinsam beschließen, wie es weitergehen kann und soll, inwieweit man mit Krankenkassen und Behindertenverbänden arbeiten kann.

    2. _fast_ niemand.
      Es gibt Menschen, die zwischen den Stühlen stehen. Es wird welche geben, die von neurotypischer Unverbindlichkeit genervt sind. Und es wird ganz einfach welche geben, die sich in einen Autistischen Menschen verliebt haben und daher sympathisieren.

  10. Telefonieren für Arzttermine funktioniert bei mir, sofern ich einige Tage oder Stunden Vorbereitung hatte. Mein viel größeres Problem ist fast immer, dass ich mich den Ärzten scheinbar nicht verständlich machen kann. Ich wirke immer ruhig, gesund und zurückhaltend, egal wie groß der Schmerz oder die Probleme sind.

    Momentan habe ich eine ganze Palette an Problemen, war deswegen schon beim Hausarzt, Frauenarzt und Hautarzt. Meine Hausärztin sah mich an, als würde ich ihr nur etwas vorspielen, meine Frauenärztin meinte, ich soll die Schmerzen ignorieren und einfach weitermachen.

    Es ist, als könnte ich den Ärzten nicht zeigen, dass ich ernsthaft Schmerzen und Probleme habe. Wie schon jemand hier schrieb: Mir fällt es schwer „zu jammer und mich zu beschweren“. Das gelingt mir einfach nicht, obwohl das scheinbar von den Ärzten erwartet wird.

    Ganz schlimm sind für mich oft auch die Warteräume, wie vor ein paar Tagen beim Hautarzt. Überall gab es Geräusche. Husten von Kindern, eine wimpernder Fuß, eine Eieruhr eines anderen Patienten und die Gespräche der Arzthelferinnen. Ich hielt es fast gar nicht mehr und musste mich sehr zusammenreißen. Zudem war ich zum ersten Mal in der Praxis und hatte sowieso schon Probleme.

  11. Ein wirklich schwieriges Problem, das man sicher sehr viel kreativer lösen muss, damit auch Autisten „entspannt“ (sofern das überhaupt möglich ist) zum Arzt gehen können.
    Die Kontaktaufnahme per E-Mail ist natürlich Voraussetzung. Aber: Anstatt selbst zum Arzt gehen zu müssen, wäre es nicht sinnvoller, wenn der Arzt in das eigene Zuhause käme, um entsprechende Untersuchungen durchzuführen? Das wäre zwar ein Eindringen in die Privatsphäre, aber der Arztbesuch fände in einer kontrollierten Umgebung statt.
    Ich komme nur darauf, weil ich einmal so krank war, dass ich das Haus nicht verlassen konnte. Ich rief bei einer Notrufnummer an und man schickte mir einen Arzt nach Hause, der eine Grundausstattung an medizinischen Untersuchungsgegenständen bei sich hatte. Das war sehr angenehm für mich und die Behandlung war genauso gut wie in einer Arztpraxis.
    Gut wäre, wenn sich ein Netzwerk von auf Autisten spezialisierte Ärzte bilden würde, die entsprechende Angebote der Barrierefreiheit machen. In etwa so wie für Angstpatienten bei Zahnärzten. Insofern möchte ich einem vorhergehenden Kommentar widersprechen, dass sich niemand für euch einsetzen wird. Zahnärzte haben ja selbst auch keine Angst vor anderen Zahnärzten, bilden sich aber zum Teil in „Angstbehandlung“ fort, um sich auf einen erweiterten Kundenstamm einzustellen.

  12. Ich bin dafür, den Artikel auszudrucken und JEDER Behörde, Arzt, Einrichtung usw in den Briefkasten zu werfen (reingehen und fragen, ob man denen das zum lesen überlassen will, kriege ICH zumindest nicht hin!)!

    Das spricht mir so aus der Seele! Dankedankedankedankedanke!

    Ich lese das gleich meinem Freund vor, wenn der von der Arbeit kommt!

    Am listen würde ich ein Plakat basteln, wo das drauf steht, um es dann vor mir her zu tragen 🙂

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