Gedanken zum Weltautismustag 2020

Kaum zu glauben: Erst 2006 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Behindertenrechtskonvention, ein Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. 2008 trat sie in Kraft. Heute, im Jahr 2020 hält sich noch immer kein Land in Gänze daran. Nur einzelne Punkte werden, mal mehr, mal weniger motiviert und oft mit spärlichen finanziellen Mitteln umgesetzt.

Ebenfalls 2008 führten die Vereinten Nationen den Welt-Autismus-Tag ein. An diesem Tag soll auf Autismus und die damit einhergehenden Barrieren, die uns die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren, aufmerksam gemacht werden.

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Interview mit ergopraxis – „Ich lasse mich nicht auf faule Kompromisse ein“

Vor einiger Zeit hatte ich die Ehre, der Fachzeitschrift ergopraxis ein Interview zu meinem ersten Buch „Verstörungstheorien“ zu geben. Dabei entwickelte sich ein angenehmes und anregendes Gespräch über Autismus, Teilhabe und Therapien, an das ich bis heute gern zurückdenke. Thieme stellt das Interview ausnahmsweise kostenfrei zur Verfügung und erlaubt mir, es euch hier zu zeigen. Vielen Dank dafür! Weiterlesen

Religionszugehörigkeit: Verschwörungstheorie


Niemand weiß, wie es begann.
Der erste kollektive Glaube war vermutlich eine Erklärung für Naturphänomene und Schicksalsschläge, auf die sich eine Gruppe Menschen einigte. Dieser Glaube gab Halt angesichts des Donners, er spendete Trost, wenn der Regen ausblieb, er gab einen Grund, wenn die Liebsten starben. Kurz gesagt: Er verlieh Dingen, die dem Zufall geschuldet sind – inklusive der eigenen Existenz – einen Sinn.

Irgendwann begriff der Erste, dass man mit diesem Glauben Kontrolle ausüben konnte. Vielleicht beruhte dessen Motivation sogar auf einem ganz und gar unschuldigen Blickwinkel: Aus dem Wunsch heraus, Ruhe und Frieden in der Gruppe aufrechtzuerhalten, überhaupt eine Gemeinschaft zu bilden, die über Ort und Zeitpunkt hinausging, berief er sich auf den neuen Glauben, auf diese Erklärungen und forderte Einigkeit. Doch wie es bei Spider-Man heißt: Aus großer Macht folgt große Verantwortung. Einer berücksichtigte das, Andere zogen ihren Nutzen aus dieser Macht. Weiterlesen

VAXXED in Wien?

 

Liebe Leser*innen,

warum ich den Autist*innen stigmatisierenden und diskriminierenden Film VAXXED, der seit April in Europa gezeigt wird, für gefährlich halte, habe ich in diesem Text bereits ausführlich dargelegt. Auch bei Vice Austria erklärte ich das Problem.

In Deutschland regte sich bereits zum Teil erfolgreicher Widerstand gegen Kinos, die ihn – oft sogar mit Anwesenheit Wakefields – völlig unkritisch zeigten. Selbst Autismus Deutschland nahm inzwischen Stellung zu VAXXED und den nachweislich falschen Theorien von Wakefield. Über diesen Widerstand bin ich sehr froh und dankbar.

Nun soll VAXXED am 12. Mai auch im Millenium City Kino in Wien vorgeführt werden. Weiterlesen

Diese „Krawallautisten“

„Das sind doch diese Krawallautisten“, sagt der ein oder andere Facharzt oder Therapeut, der die Folgen des autistischen Aktivismus an den eigenen Projekten zu spüren bekam. An Eltern und Kolleg*innen gibt er den wohlmeinend klingenden Rat weiter, sich von „denen“ fernzuhalten. Manch einer nennt uns noch etwas phantasievoller „Internetautisten“, was ich sehr lustig finde. Begreift man das Internet als Möglichkeit der Barrierefreiheit, ist das in etwa so, als nenne man Gehbehinderte „Rollstuhlmenschen“ – also ziemlich albern. Weiterlesen

Die Selbstvertretung im Zusammenspiel mit Fachkräften

Vor ein paar Monaten habe ich schon einmal darüber geschrieben, wie schwer es ist, sich für die autistische Selbstvertretung stark zu machen. Inzwischen hat sich die Situation noch verschärft. Seit die Aktion Mensch entschieden hat, ihre Förderung für ABA-Projekte auslaufen zu lassen und keine neuen Projekte zu fördern, die ABA beinhalten, haben sich die behindertenfeindlichen Angriffe, vor allem von Fachkräften, gefühlt vervielfacht.

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Hilfe, Selbstvertretung!

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„Autismus hat viele Gesichter“, sagen Menschen und denken „All diese Gesichter sehen aus wie meines/das meines Kindes. Was dem nicht entspricht, kann also kein Autismus sein“.

Wir sprechen inzwischen vom Autismusspektrum. Ohne den Zusatz „Störung“, ohne die auf Außensicht beruhende, diskriminierende Einteilung „leicht“ und „schwer“. Ein weites, abstraktes Spektrum von Autist*innen mit mehr oder weniger großem Hilfebedarf, die eines gemeinsam haben: Eine eingeschränkte Teilhabe am Leben und eine Behinderung, die sie im Alltag beeinträchtigt. Manche so stark, dass sie permanente Betreuung brauchen, andere so, dass sie nur bei Bedarf Hilfe in Anspruch nehmen.
Ein Fortschritt für Autist*innen, mag man meinen. Ein wichtiger Schritt weg vom Tragödienmodell Behinderung, hin zum selbstbewussten Leben mit dem Anderssein. Wenn man aber genauer hinsieht, ist das nur verbaler Zuckerguss auf einem völlig verkohlten Kuchen. Weiterlesen

Autistische Aktivisten – Nicht ohne uns über uns!

 

Autistische AktivistInnen – das klingt doch nach einem perfekten Widerspruch. Wie kann eine Minderheit von Menschen mit einer Behinderung, zu deren Störungsbild kommunikative Einschränkungen, Probleme im Sozialkontakt und oft auch eine mehr oder weniger ausgeprägte Konfliktunfähigkeit gehören, Aktivismus betreiben wollen?

Der Kernpunkt des Aktivismus ist jedoch nicht das Wollen, sondern die erdrückend große Notwendigkeit, für das entsprechende Thema einzustehen. Aktivismus ist für jede Minderheit deshalb so wichtig, weil die privilegierte Mehrheit kein Interesse daran hat, bestehende Strukturen zugunsten von Minderheiten aufzuweichen – sei es absichtlich oder aus Ignoranz. Um Veränderungen anzustoßen, braucht es Druck, eine kritische Masse, und Aktivismus hilft, diese kritische Masse zu erreichen. Wir AutistInnen müssen daher laut sein und anprangern, müssen unbequem sein, um gehört zu werden.
Es ist hart, denn Aktivismus heißt in den seltensten Fällen, Anerkennung für seine Arbeit zu bekommen. Aktivismus heißt vor allem, Feindbild zu sein, weil man den Finger in Wunden legt und Missstände thematisiert.
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