ABA und die Kritik daran – Eine Zusammenfassung.

Wenn Nichtautisten eines in den Fokus stellen, dann die Notwendigkeit, Menschen mit Autismus möglichst effektiv und schnell zu therapieren, mit dem Ziel, autistisches Verhalten auszulöschen. Diese erzwungene Anpassung an die Norm nimmt zuweilen krude, aber auch gefährliche Züge an. Eine erschreckend beliebte, oft empfohlene und von Autisten selbst stark kritisierte Therapieform ist ABA – Applied Behavior Analysis.

Kann etwas, das von Autismusverbänden und Elternvereinigungen so hoch gelobt und von Aktion Mensch mit hohen Summen gefördert wird, so schlecht sein, dass Autisten selbst sich dagegen wehren und verzweifelt versuchen, Gehör zu finden?

Was ist ABA und welche Ziele verfolgt es?

Übersetzt bedeutet “Applied Behavior Analysis” lediglich “Angewandte Verhaltensanalyse”. Der Begriff selbst gibt also wenig Anhalt darauf, was sich dahinter verbirgt.

ABA ist eine als Lernmethode bzw. operante Konditionierung bezeichnete Psychotherapie, die zum Ziel hat, Menschen mit Autismus das autistische Verhalten abzuerziehen. Die Grundlagen dazu wurden von dem amerikanischen Verhaltenswissenschaftler B. F. Skinner erarbeitet und in den frühen 1960ern von O. Ivar Lovaas erstmals bei autistischen Kindern angewandt.

Die Therapie nach ABA soll Autisten besser erziehbar und beschulbar machen, Familien und Angehörige entlasten. Autisten soll Sozialverhalten und Beziehungsaufnahmen möglich gemacht werden. Unter Verhaltenswissenschaftlern gilt der Behaviorismus jedoch schon länger als veraltet.

Von ABA-Therapeuten wird der Mensch als weißes Blatt betrachtet, das man mit Inhalt füllen kann. Ziel ist also, das vorher festgestellte Problemverhalten einzugrenzen und zu löschen, so dass der “blank slate”-Zustand wieder hergestellt wird und der zu therapierende Mensch mit neuen, gewünschten Inhalten gefüllt werden kann. Behavioristen nennen dieses Vorgehen “löschen” und “formatieren”, was allein für sich schon als ethisch problematisch zu betrachten ist. Um eben jenes unethische Verhalten zu rechtfertigen, wird Autisten in den entsprechenden Fachpublikationen jegliche Persönlichkeit völlig abgesprochen:

„You have a person in the physical sense — they have hair, a nose and a mouth — but they are not people in the psychological sense. One way to look at the job of helping autistic kids is to see it as a matter of constructing a person. You have the raw materials, but l you have to build the person.“
O. Ivar Lovaas
(Quelle: ‘Psychology Today’, Jan. 1974)

Übersetzung:
„Man sieht sich im physischen Sinne einer Person gegenüber, mit Haaren, Nase, Mund, aber psychologisch betrachtet sind sie das nicht. Ein Blickwinkel auf die Arbeit mit autistischen Kindern ist der Versuch, eine Person zu konstruieren. Man hat das Rohmaterial, aber ich muss diese Person bauen.“
O. Ivar Lovaas (Quelle: ‘Psychologie Heute’ USA im Januar 1974)

 

Wie funktioniert ABA?

Man geht davon aus, dass Autismus keine komplexe, neurologische Abweichung ist, sondern reduziert diese Neurodiversität lediglich auf das “Problemverhalten”, welches im Folgeschritt ausgemacht wird. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, ob das als unerwünscht eingestufte Verhalten eine autistische Art der Kommunikation ist, wie sie oft bei nonverbalen Autisten vorkommt, zur Kompensation von Sinnesreizen dient oder andere Bedürfnisse des autistischen Menschen erfüllt. Die Einstufung erfolgt rein nach den subjektiven Kriterien des Nichtautisten.

Ist dieses Problemverhalten isoliert, findet der Therapeut heraus, welche Bedürfnisse dem autistischen Menschen besonders wichtig sind, um diese zur positiven Verstärkung zu nutzen. In der Regel sind dies Nahrung (gern Süßigkeiten), Wasser, Spielzeug, Schlaf und Aufmerksamkeit/Zuneigung. Legt der autistische Mensch nun ein vom Therapeuten als angemessen und gut empfundenes Verhalten an den Tag, wird der entsprechende positive Verstärker als Belohnung eingesetzt. Das kann also ein Stück Schokolade sein, ein Glas Wasser, Ruhe oder das Lieblingsspielzeug. Verhält sich der zu Therapierende jedoch problematisch, also autistisch, wird der entsprechende Verstärker entzogen.

Als ‚positive Verstärker‘ werden zumeist Lebensmittel eingesetzt (Chips, Gummibärchen). Das verschärft die Problematik der meisten Autisten mit Übergewicht. Das von Anwendern sogenannte “moderne ABA” verzichtet (vorgeblich) auf Aversiva wie Schläge, Elektroschocks, Anschreien oder setzt diese nur bei extremem Verhalten wie Selbstverletzung ein. Tatsächlich werden den Autisten Grundbedürfnisse vorenthalten (Essen, Trinken, Rückzug und Ruhe) und das Gewähren dieser Grundbedürfnisse zum positiven Verstärker umgedeutet. Aversiva wie Anschreien, Wasser ins Gesicht spritzen oder Taste aversions wie Essig, kommen in der Praxis – nach Aussagen von Ex-Therapeuten – deutlich häufiger vor als von ABA-Anbietern behauptet.  Zum Teil wird dem autistischen Kind Essen und Trinken aufgezwungen und ihm danach erst wieder für einen kurzen Zeitraum erlaubt, sich spielerisch zu betätigen. Dies ist ein Vorgehen, das in der Behandlung nichtautistischer Patienten längst als schädlich und kontraproduktiv eingestuft wurde.

Das autistische Kind wird während der Anwendung von ABA mit oft stakkatoartig erfolgenden Befehlen und Anweisungen dazu genötigt, diese auszuführen und sich entsprechend der Forderung zu verhalten. Das kann die Benennung einer Abbildung sein, das Ausführen einer Bewegung oder das Ertragen von Berührungen. Wird der Aufforderung nicht nachgekommen, erfolgt der Entzug der definierten positiven Verstärker, was als Strafe wahrgenommen wird. Über den empfohlenen Zeitraum ausgeführt (s.u.) ist diese Art der Therapie vergleichbar mit einem harten Drill. ABA setzt auf intensive Wiederholungen, was laut neuerer Studien einen negativen Effekt auf die Lernerfolge autistischer Kinder hat.

 

Welche Therapieziele verfolgt ABA?

Zumeist werden folgende Therapieziele definiert:

  • Blickkontakt herstellen und aushalten
  • Berührungen akzeptieren
  • Stimming abstellen
  • Spracherwerb bei nonverbalen Autisten
  • das Abwenden bzw. Nichtentwickeln von Spezialinteressen
  • die Erhöhung der Beschulbarkeit und des IQs
  • der Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten von Anziehen bis Telefonieren

Dabei wird weder Hilfestellung gegeben, noch nach der Ursache des Verhaltens gefragt oder die veränderte Wahrnehmung von Autisten und die daraus resultierenden Verhaltensweisen und Bedürfnisse beachtet. Wichtig ist einzig das “löschen” unerwünschter Verhaltensweisen.

Was diese Therapieziele so problematisch macht:

  • Blickkontakt ist für Autisten anstrengend, zum Teil auch schmerzhaft. Über die Augen werden nicht oder kaum entschlüsselbare Informationen transportiert. Die Wahrnehmung und der Versuch der Entschlüsselung dieser verbraucht mehr Kraft, als dass sie Nutzen bringt.
  • Durch den Zwang, Berührungen, vor allem unerwünschter Natur, auszuhalten, wird sich über die Autonomie des behinderten Menschen hinweggesetzt. Dies ist ein gängiges, kaum thematisiertes Problem. Jemand, der unter deratigem Druck lernen musste, Berührungen zu ertragen und Anweisungen zu befolgen, ist deutlich anfälliger für Missbrauchssituationen und denen oft hilflos ausgeliefert. Schließlich hat die Person gelernt, dass ihr Nein keinerlei Bedeutung hat.
  • Stimming, also selbststimulierendes, repetitiv erfolgendes Verhalten, dient der Kompensation von Sinnesreizen und der Fokussierung auf sich selbst. Es fördert Regeneration und wirkt beruhigend, erdend. Dies kann zum Beispiel das Vor- und Zurückkwippen sein, das Summen oder Kauen auf einem Spielzeug. Die Unterbindung von Stimming bedeutet, einen Autisten ein wichtiges Werkzeug zu nehmen.
  • Es gibt Autisten, die sehr früh sehr gut sprechen, andere entwickeln erst sehr spät Sprache, andere nie. Verzögerte Entwicklung ist nicht selten bei autistischen Kindern. Den Entwicklungsrhythmus nichtautistischer Kinder als Grundlage zu sehen und Entwicklung zu erzwingen, ist fragwürdig. Zudem herrscht eine Fixierung auf die verbale Kommunikation. Andere Kommunikationswege werden ignoriert oder als problematisch definiert. Das Argument, “Entwicklungsfenster würden sich schließen”, ist nicht haltbar. Es gibt Autisten, die erst in der Pubertät oder später verbale Kommunikation entwickelten.
  • Spezialinteressen dienen ähnlich wie Stimming, der Fokussierung und Entspannung. Wissenserwerb findet auf eine autistische Art und Weise statt, oftmals lernt ein Autist von der Spezifizierung ausgehend. Eigene Lernmuster und -methoden werden dabei, unabhängig von ihrem Erfolg, als problematisch wahrgenommen. Auch hier wird autistische Stärke zugunsten von Unauffälligkeit sabotiert.
  • ABA-Konzepte sehen vor, auch Lehrer und Mitschüler in die Verhaltenskonditionierung einzubeziehen. Dieses Konzept ist eine Anleitung für gezieltes Mobbing und wertet den autistischen Schüler im Vergleich zu den nichtautistischen Mitschülern enorm ab und schließt ihn aus. Dazu kommt, dass gängige IQ-Test nicht auf das uneinheitliche Leistungsprofil von Austisten zugeschnitten und für nichtsprechende Autisten ungeeignet sind, was zu verzerrten und falschen Messungen führt, die deutlich unter den tatsächlichen Fähigkeiten des Getesteten liegen. Auch verbale Autisten haben oft Probleme mit unklaren Fragestellungen oder nicht exakt formulierten Aufgaben.
  • Auch lebenspraktische Aufgaben können unter Rücksichtnahme einer gewissen Entwicklungsverzögerung ohne ein derartiges Konzept erworben werden. Zudem gilt es, veraltete Weltbilder von Therapeuten in Frage zu stellen. Ist das Telefonieren noch zwingend notwendig? Viele erwachsene Autisten wissen sich inzwischen anders zu behelfen und müssen diese unangenehme Tätigkeit nicht mehr ausführen.

Diese Therapieziele dienen also einzig den Bedürfnissen der Eltern bzw. Pflegepersonen, der Pädagogen und des weiteren Umfeldes. Auch auf die subjektive kindliche Entwicklung wird keine Rücksicht genommen. Jegliches Fehlverhalten, egal ob im normal-kindlichen Rahmen oder typisch autistisch, wird hart bestraft, mit dem Ziel, es zu “löschen”.

 

In welcher Intensität erfolgt die ABA-Therapie und wer wendet sie an?

Vorgesehen ist eine hohe Stundenzahl, anzuwenden auf einen Zeitraum von mehreren Jahren. Es wird empfohlen, so früh wie möglich mit der Therapie des autistischen Kindes zu beginnen. Die Empfehlungen für die anzuwendende Intensität schwanken dabei zwischen 20 Stunden pro Monat und 40 Stunden pro Woche. Manche ABA-Therapeuten empfehlen eine Anwendung über die gesamte Wachphase des Autisten.
Freies Spielen, ein für die kindliche Entwicklung enorm wichtiges Verhalten, wird dabei unterbunden, ebenso wie Ruhephasen. Unterbindung erfolgt vor allem, wenn das freie Spiel nicht den gängigen Definitionen folgt, sondern der Umsetzungen des autistischen Kindes. Dieses ‘over-schooling’ steht in der Kritik, sich negativ auf das Leben des Kindes auszuwirken. Ohne entsprechende Studien vorlegen zu können, argumentieren ABA-Anwender aber, freies Spiel hätte für autistische Kinder nicht den gleichen positiven Entwicklungseffekt wie für nichtautistische Kinder.

Die Eltern werden als anwendende Co-Therapeuten hinzugezogen, ebenso wie Mitschüler, Lehrpersonal, Heilpraktiker, Schulbegleiter, Verwandte und eventuelles Pflegepersonal. Der autistische Mensch wird jeder Rückzugsmöglichkeit beraubt und das Elternhaus entfällt als Ruhe- und Schutzraum.

In Onlinekursen und 6-tägigen Schnellkursen wird Menschen ohne einschlägige Ausbildung beigebracht, ABA anzuwenden, ohne je in Kontakt mit einem autistischen Menschen zu kommen. Angeboten wird dies zum Beispiel vom Autismus-Zentrum Karlsruhe.

 

Verstößt ABA gegen Menschenrechte?

Jeder Mensch hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit – auch dann, wenn Verhaltensmuster dieser Persönlichkeit jenseits der Norm anzusiedeln sind. Autistischen Kindern individuelles Verhalten “abzuerziehen”, das subjektiv unangebracht, nervig oder nicht nachvollziehbar ist, aber nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt, dürfte selbst einen Verstoß gegen das Grundgesetz (Art. 2 und 3) darstellen, zumal diese Behandlung nur selten die körperliche Unversehrtheit garantiert. Zudem hat in Deutschland hat jedes Kind das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, auch frei von psychischer Gewalt.

Artikel 17 der Behindertenrechtskonvention der UNO zufolge hat jeder Mensch mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen das Recht auf Achtung seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Geregelt werden dabei Behandlungen von Menschen mit Behinderungen ohne ihre Einwilligung. Auch darf eine Behandlung ohne Einwilligung nicht allein aufgrund einer Behinderung erfolgen. In Artikel 12 wird festgehalten, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden und in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen (Update). Es sind Maßnahmen zu treffen, Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit helfen. Daraus ergibt sich, dass der Standpunkt des ABA-Erfinders gegen mehrere UN-Konventionen verstößt. Zwar haben Minderjährige auch nach UNO-Charta eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit, dennoch steht diese Form der Behandlung mit Sicherheit in starkem Widerspruch zu den Konventionen der UNO.

 

Ist ABA Folter?

Nach Artikel 1 der UN-Antifolterkonvention ist ABA formal auf den ersten Blick keine Folter, da die Behandlung nicht erfolgt, um eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen oder sie für eine begangene Straftat zu bestrafen oder einzuschüchtern. Auch erfolgt die Anwendung nicht von staatlicher Stelle.
Auf den zweiten Blick aber erkennt man, dass es durchaus Spielraum für die Interpretation gibt, dass es sich bei ABA um eine Form der Folter handelt, da die Konvention den Fall der Nötigung anspricht, sowie auf jedwede Art von Diskriminierung beruhende Gründe anführt. Wenn das gesamte Umfeld eines autistischen Kindes, inklusive der Lehrer, Mitschüler und Freunde, ABA anwendet, liegt eindeutig eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung vor. Nimmt man die ABA-Behandlung unter die Lupe, braucht man nur kurz, um zu dem Schluss zu kommen, dass es sich hier um eine besonders harsche Form der Nötigung von Kindern handelt. Unter anderem werden die damit behandelten Kinder durch Entzug verschiedener Bedürfnis erfüllender Zuwendungen für vom ABA-Anwender definiertes Fehlverhalten bestraft. Zitate des ABA-Erfinders Lovaas,  in denen er zum Ausdruck bringt, dass er autistische Kinder nicht für „Personen“ hält, legen den Verdacht nach, dass der Grund für die Behandlung eine diskriminierende Haltung ist. Insofern gilt es vom Gesetzgeber zu prüfen, ob wir es bei der ABA-Therapie nicht mit der Folter von Kindern zu tun haben und inwieweit gemeinnützige Organisationen, die diese Behandlungsmethode unterstützen, ihrer Verantwortung gerecht werden.

 

Wie argumentieren ABA-Befürworter?

Es ist auffallend, dass sich ABA-Therapeuten und Forscher selten bis nie direkt mit der Kritik an ABA auseinandersetzen, sondern vielmehr darauf abzielen, die Kritiker, deren Intention und Glaubwürdigkeit anzugreifen. Gern wird auch auf die permanente Wandlung des Konzepts hingewiesen, was schwerlich als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist.

Kritisierenden Autisten wird abgesprochen, als verbale Autisten für nonverbale Autisten zu sprechen, mitunter wird ihnen die Autismusdiagnose völlig abgesprochen.

Kritisierenden Eltern wird Neid auf Familien unterstellt, die “Unterstützung” durch ABA erhalten haben. Man sagt ihnen Vernachlässigung oder fehlende Erziehung ihrer autistischen Kinder nach. Gern wird auch argumentiert, dass normale Erziehung nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ bereits auf Zügen von ABA beruhen würde – was sie nicht tut.

Allen Kritikern wird fehlende Information oder das Nichtverstehen von Informationen unterstellt. ABA wird dabei nicht nur als eine Therapiemöglichkeit dargestellt, sondern als einzige. Autismus wird als Tragödie bezeichnet, aus der einzig ABA der Ausweg ist. Argumente wie „Ohne ABA würden autistische Kinder nie sprechen lernen“ und „der Verzicht auf ABA würde zwingend Institutionalisierung der Autisten nach sich ziehen“ sind wissenschaftlich nicht belegbar. Üblich ist das Tragödienmodell, in welchem Autismus als familienzerstörender Unglücksfall dargestellt wird.
Tatsächlich entwickeln sich autistische Kinder ganz ohne ABA oft sehr positiv und finden oft auch zur Sprache. Konzepte wie TEACCH helfen Familien den Alltag besser zu bewältigen, ohne auf extreme Therapieformen wie ABA zurückgreifen zu müssen.

 

Was ist im Umgang mit autistischen Kindern ratsam?

Am wichtigsten ist es, dass Eltern verstehen, was Autismus ist und wie es die Wahrnehmung ihrer Kinder beeinflusst. Über das Verständnis können Eltern viele stressauslösende Faktoren beseitigen bzw. minimieren und Ausweichmöglichkeiten anbieten. Darüber werden Ressourcen frei, die sich in einer Beschleunigung der Entwicklung zeigen. Erst, wenn das autistische Kind nicht mehr ständig gegen Reizüberflutung und die Verarbeitung der aufgezwungenen Reize kämpfen muss, in manchen Fällen geschieht das mit für die Eltern heftigen Reaktionen, hat es die Kapazität, sich zu entwickeln. Therapieangebote gezielt und bewusst zu hinterfragen ist dafür eine Notwendigkeit.
Autismus ist keine familienzerstörende Tragödie, der mit extremen Mitteln der Kampf angesagt werden muss. Es ist eine neurologische Diversität, die an mancherlei Stelle Umdenken erfordert und Menschen gelegentlich vor neue Herausforderungen stellt. Vor allem ist sie jedoch eins: Die Bezeichnung für das Sein eines Menschen.

 

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit und ist das Rechercheergebnis folgender Autoren:

Marlies Hübner
Mela Eckenfels
Misha Anouk
AnitaWorks9698
Gedankenkarrussel
Fotobus

24 Gedanken zu „ABA und die Kritik daran – Eine Zusammenfassung.

  1. Erinnerungen an meine Kindheit werden wach:
    Meine Mutter hat ähnliche Maßnahmen angewendet, und fand sich auch noch toll deshalb, weil sie engagiert ihrer gesellschaftlichen Pflichten halber handelte.
    Es handelte sich klar um Folter.
    Die laufend begangene Straftat: Autistisch zu sein.

    Obwohl die Täterin seit einigen Jahren über Autismus aufgeklärt zu sein meint, ist sie sich keiner Schuld bewusst: es hatte schließlich alles seinen übergeordneten Sinn. Das sie ihr Kind nachhaltig traumatisiert hat, würde sie erst in dem Moment begreifen, in dem ihr Verhalten als Straftat geahndet werden würde.
    Ich denke, bei den ABA-Tätern verhält es sich genau so.

  2. Das ist ein toller Text, den kann man ohne Bedenken auch mal Menschen zu lesen geben, die bisher von dieser Thematik noch überhaupt nichts wissen. Er setzt kein Vorwissen voraus, und er ist durchgängig sachlich und nachvollziehbar.

    Es gibt allerdings in dem Abschnitt „Wie funktioniert ABA“ einen Satz, den ich nicht verstehe: „Zusätzlich wird zum Teil Essen und Trinken aufgezwungen und danach erst wieder für einen kurzen Zeitraum ein Spiel zu erlauben.“

    Ich glaube, in dem Teil nach „und“ fehlt sprachlich etwas, um den Satz vollständig werden zu lassen. Aber ich verstehe ihn auch inhaltlich nicht. Sind mit dem Wort „Spiel“ die in den Sätzen zuvor beschriebenen Grenzüberschreitungen gemeint, die sich die Therapeuten erlauben?

    Besonders gut finde ich den Absatz „Ist ABA Folter“. Denn ich habe bisher den Eindruck, daß von Außenstehenden die Betitelung von ABA als Folter vorschnell als Polemik wahrgenommen wird. Daher ist es wichtig, sachlich zu erklären, daß dieser Begriff wirklich ernstgenommen werden muß.

  3. >In Artikel 12 wird festgehalten, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden und in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.<

    Ja, Menschen mit Behinderungen haben das Recht…was jedoch die Rechte der Kinder in Deutschland betrifft, da schaut es leider nicht so gut mit aus…und erst recht was hier autistische Kinder angeht.

    Kinder werden zwar im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erwähnt, aber…sie sind nur Objekte. Und genau das ist meiner Meinung nach das eigentliche Problem, sowohl für nicht behinderte als auch für behinderte Kinder.

    http://www.kinderpolitik.de/21-kinderrechte/kinderrechte-ins-grundgesetz/186-aktuelle-situation

    „Bislang werden Kinder im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zwar in Artikel 6 erwähnt. Sie sind jedoch nur „Regelungsgegenstand“ der Norm, also Objekte: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ (Art.6 GG, Absatz 2). „
    […]
    „Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist heute anerkannt, dass das Kind „ein Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) ist“ (BVerfGE 24, 119 (144)).
    Das Grundgesetz selbst allerdings bringt bis heute weder den in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Vorrang des Kindeswohls noch den grundlegenden Gedanken dieses völkerrechtlichen Abkommens zum Ausdruck – dass nämlich Kinder gleichberechtigte Mitglieder unserer Gemeinschaft sind, eigenständige Persönlichkeiten mit eigener Würde und dem Anspruch auf Anerkennung ihrer Individualität.
    Nicht nur durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sondern darüber hinaus durch den ausdrücklichen Text des Grundgesetzes soll klargestellt werden, dass „das Kind […]nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung“[2] ist, sondern ein „Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten“.[3]"

  4. „Das ist ein toller Text, den kann man ohne Bedenken auch mal Menschen zu lesen geben, die bisher von dieser Thematik noch überhaupt nichts wissen. Er setzt kein Vorwissen voraus, und er ist durchgängig sachlich und nachvollziehbar.“

    Das kann ich, als jemand, der von dieser Thematik noch überhaupt nichts wusste, nur bestätigen. Ein erschütternder Einblick.

    So wichtig die Einordnungen und Erklärungen sind, mich persönlich hat allein die Schilderung der Vorgehensweise bereits schockiert. Das kam mir nämlich sehr bekannt vor: Genau so dressiert man Tiere (vermute ich jedenfalls).

    Ich bin kein Fachmann. Aber für mich klingt das nicht nach einer Therapie und auch nicht nach Folter (als die es bestimmt empfunden wird). Für mich klingt das nach einer Dressur. Und Menschen zu dressieren sollte nicht das Ziel von Leuten sein, die – diesen Anspruch will ich ihnen gar nicht absprechen – diesen Menschen eigentlich helfen wollen. Wie kommt man denn bloß auf so eine Idee?

  5. Das ist sehr gut geschrieben. Vielen Dank!

    Ich selbst bin mit diesem Thema völlig überfordert, weil ich es nicht fassen kann, dass so etwas heutzutage noch praktiziert werden darf. Allein diese mittelalterliche Weltanschauung die dahinter steckt, macht mich fassungslos.
    Jeder normal aufgeklärte Menschenverstand müsste doch zumindest auf einfachste Weise darauf negativ reagieren, ohne besondere Kenntnisse zu besitzen.

    Dieser gut geschriebene und sachliche Artikel ist eine gute Grundlage um mehr Aufklärung zu betreiben.

  6. Hallo!
    Leider entspricht eure Darstellung überhaupt nicht einer modernen Form von ABA wie wir sie kennengelernt haben. Wir haben einen Sohn mit frühkindlichem Autismus der außerordentlich von dieser Förderung profitiert hat.
    Ganz kurz zu unseren Erfahrungen: Es geht vor allem darum in Beziehung zu kommen mit seinem autistischen Kind. Diese Beziehung ist die Grundlage für die Förderung. Ein Lernprogrammm nach unserem Konzept beinhaltete 75 % Pairing – also Spass für das Kind und 25 % Lernen – also z.B Vorschulprogramm wie es andere Kids auch machen aber etwas leichter, Sortieraufgaben, Sprachübungen, motorische Übungen usw. Das Programm beginnt und endet immer mit Spass. Man muss sich also immer ganz schön anstrengen und ganz nah am Kind sein, um seine Vorlieben zu kennen. Diese müssen immer wieder aktualisiert werden, um die Motivation und den Spas zu erhalten – also man muss ganz genau zuhören und beobachten. Unsere Beziehung hat sich durch ABA sehr gebessert und entspannt. Weil wir einfach viel Spass zusammen hatten. Natürlich fliesst ABA zunehmend auch in den Alltag ein indem man versucht das KInd möglichst oft zu loben und zu fördern.
    Ich finde es wirklich ein bisschen zu leichtfertig sich damit abzufinden, dass das autistische Kind eben in seiner Welt ist und es dabei zu belassen. Auch die Entwicklungsverzögerung von Kindern mit frühkindlichem Autismus sind nicht zu unterschätzen.Dann wären ja überhautp die ganze Arbeit von Frühförderzentren, Logopäden usw. gering zu schätzen, die sich bemühen entwicklungsverzögerte KInder möglichst gut zu fördern.
    Gerade die alltagspraktischen Dinge erfordern ein großes Maß an Geduld und Ausdauer für alle Seiten. Auch da ist der Ansatz Ziele zu setzen, die das Kind erreichen kann, ihm Unterstützung zu geben soviel wie nötig z.B mit Bildern die zeigen in welcher Reihenfolge man sich anziehen muss und dann Erfolge immer wieder zu belohnen. Jedenfalls viel erfolgversprechender als einfach abzuwarten dass ein Wunder passiert und alles von allein klappt.
    Überdies weiss man ja, dass autistische KINder soziale Kontakte möchten nur nicht intuitiv wissen wie sie es machen sollen. Bspweise fragte unser Sohn an seinem Geburtstag „Wann kommen denn die Kinder? Obwohl er immer wegläuft wenn KInder kommen. ABA arbeitet z.B auch mit „Sozial stories“ um soziale Situationen zu erklären und autistische KInder können das lernen. Das war für mich die wichtigste Botschaft von ABA. Es sind andere Lernwege aber autistische Kinder können lernen. Also man resigniert nicht.
    Der Einsatz von ABA in der Schule war für uns auch sehr positiv. Man hat ja drei Möglichkeiten bei störendem Verhalten: Bestrafen, ignorieren (mit dem Hintergedanken – das Kind muss halt irgendwann mal in die Förderschule) oder konsequent gutes Verhalten aufbauen.
    Bei uns wurde zu Beginn viel bestraft. Seit die ABA Trainerin in der Schule war hat die Schule mehr Verständnis für Autismus und unser Sohn die Möglichkeit sich smileys zu verdienen und sich eine Extraspielpause eintauschen. Dadurch ist er natürlich viel motivierter und die Beziehung zu seiner Lehrerin hat sich sehr verbessert. Dies ist für mich ein weiterer sehr wichtiger Pluspunkt des Programms. Es setzt konsequent auf positives Verstärken wie alle modernen Erziehungsmethoden.Dadurch bekommt man als Erzieher einen anderen Blickwinkel- man beachtet viel mehr dadurch die Stärken des Kindes und weniger die störenden Verhaltensweisen.
    Im Übrigen hat unsere Trainerin uns und der Lehrerin auch vermittelt, dass wiederholende zwanghafte Handlungen ein Zeichen von Stress sein können und möglichst nicht unterbunden werden sollen. Wir setzen jetzt bei solchem Verhalten konsequent auf Stressabbau und Beruhigung.
    Also für uns als Eltern war das ABA Programm eine wirklich riesige Hilfe und Unterstützung und ich bin sehr dankbar, dass wir diese Unterstützung erhalten haben. Die Beziehung zu unserem Sohn hat sich dadurch sehr positiv entwickelt.
    Gruss Elena

    1. Hallo Elena,

      Zitat: „Jedenfalls viel erfolgversprechender als einfach abzuwarten dass ein Wunder passiert und alles von allein klappt.“

      keiner von uns hat gesagt, dass autistische Kinder keine Förderung benötigen. Es geht um das Wie.

      Ich habe vier autistische Kinder. Und selbstverständlich werden sie gefördert und gefordert. Mir erschließt sich der Gedanke nicht, warum es immer zu der Unterstellung kommt, dass Eltern von autistischen Kindern – die ABA ablehnen – keine Förderung wünschen oder gar durchführen.

      Zitat: „Dann wären ja überhautp die ganze Arbeit von Frühförderzentren, Logopäden usw. gering zu schätzen, die sich bemühen entwicklungsverzögerte KInder möglichst gut zu fördern.“

      Eine Förderung, die das autistische Sein unterdrücken will, ist keine Förderung. Gute Therapeuten wollen aber nichts unterdrücken. Tun sie es, arbeiten sie nicht auf Augenhöhe des zu fördernden Kindes.

      https://kanner840.wordpress.com/2014/10/27/unterschied-zwischen-normal-therapie-und-autismus-therapie-von-steinzeit-planet/

      Diese Kanner Autistin hat es gut erklärt.

      Zitat: „Auch die Entwicklungsverzögerung von Kindern mit frühkindlichem Autismus sind nicht zu unterschätzen“

      Einer Entwicklungsverzögerung kommt man nicht mit Druck und Drill bei. Das benötigt Liebe, Geduld und Zeit.
      „Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.“

      Zitat: “ (mit dem Hintergedanken – das Kind muss halt irgendwann mal in die Förderschule)“

      Warum? Es gibt bereits Studien dazu, dass ABA hier keine weitergehenden Erfolge erzielt.
      http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23076956

      Zitat: „Ein Lernprogrammm nach unserem Konzept beinhaltete 75 % Pairing – also Spass für das Kind und 25 % Lernen – also z.B Vorschulprogramm wie es andere Kids auch machen aber etwas leichter, Sortieraufgaben, Sprachübungen, motorische Übungen usw.“

      Darf ich fragen, wie dieses Pairing im Einzelnen durchgeführt wurde? Wurden dazu Verstärker (Spielzeug, Süßigkeiten) genutzt, die das Kind nur erhielt, wenn es den Forderungen nachkam? Oder hatte es außerhalb der Therapie auch Zugriff auf diese Dinge? So wird ja gerne bei ABA das Lieblingsspielzeug oder Lieblingskuscheltier dem Kind entzogen und es erhält es nur in den Therapiephasen, wenn es getan hat, was erwartet wurde.

      Zitat: „Gerade die alltagspraktischen Dinge erfordern ein großes Maß an Geduld und Ausdauer für alle Seiten. Auch da ist der Ansatz Ziele zu setzen, die das Kind erreichen kann, ihm Unterstützung zu geben soviel wie nötig z.B mit Bildern die zeigen in welcher Reihenfolge man sich anziehen muss und dann Erfolge immer wieder zu belohnen.“

      Dies sind Elemente aus dem TEACCH Programm. Wie habt Ihr denn Dinge, die das Kind komplett ablehnt (abgelehnt hat) durchgesetzt? Also zB Zähneputzen, wenn es die Zahnbürste nicht ertragen kann. Oder Waschen / Duschen, wenn das Gefühl von Wasser auf der Haut unerträglich ist.
      Wir haben hier geschaut, wie man diese Dinge erträglich gestalten kann. Wie habt Ihr das gemacht?

      Zitat: „Der Einsatz von ABA in der Schule war für uns auch sehr positiv. Man hat ja drei Möglichkeiten bei störendem Verhalten: Bestrafen, ignorieren (mit dem Hintergedanken – das Kind muss halt irgendwann mal in die Förderschule) oder konsequent gutes Verhalten aufbauen.
      Bei uns wurde zu Beginn viel bestraft. Seit die ABA Trainerin in der Schule war hat die Schule mehr Verständnis für Autismus und unser Sohn die Möglichkeit sich smileys zu verdienen und sich eine Extraspielpause eintauschen.“

      Wurde in der Schule – unter ABA – zu Anfang viel bestraft, oder nach Einsatz von ABA nicht mehr?

      Mein jüngster Sohn besucht eine Regelschule (im Rahmen der Inklusion) mit Schulbegleitung. Er muss sich keine Pausen verdienen.
      Wenn mein Sohn so überreizt ist, dass er dem Unterricht nicht mehr folgen kann, dann DARF er mit dem Schulbegleiter die Klasse verlassen und runterkommen. Es wird nicht gewartet, bis er in den Overload kommt, sondern es wird geschaut, dass dieser Zustand gar nicht erst eintritt.
      Dadurch benötigt er erst gar keine Extraspielpausen (was andere Kinder durchaus als Übervorteilung verstehen könnten und was dann auch Mobbing hervorrufen kann), denn er lernt gerne.

      Zitat: „Überdies weiss man ja, dass autistische KINder soziale Kontakte möchten nur nicht intuitiv wissen wie sie es machen sollen. Bspweise fragte unser Sohn an seinem Geburtstag „Wann kommen denn die Kinder? Obwohl er immer wegläuft wenn KInder kommen. ABA arbeitet z.B auch mit „Sozial stories“ um soziale Situationen zu erklären und autistische KInder können das lernen.“

      Ja, viele autistische Kinder möchten gerne soziale Kontakte. Social Stories sind genauso wie TEACCH auch ohne ABA nützlich. Also kein Alleinstellungsmerkmal von ABA. Im Gegenteil.

      Der Schulbegleiter ist bei uns der Übersetzer für soziale Botschaften. Er vermittelt und erklärt – in der Situation. Und ermöglicht dadurch möglichst stressfreie Sozialkontakte und Spiele. Auch erklärt er Spielregeln geduldig und ruhig. Dadurch ist zB Fußballspielen (was unserer Jüngster sehr gerne tut) mittlerweile kein Konfliktpotential mehr, sondern wird mehr und mehr zu einem fröhlichen Miteinander. Und der Schulbegleiter bahnt Spielsituationen an, in dem er mit meinem Sohn spielt, oder ein Spiel entwickelt und dadurch andere Kinder motiviert werden, mitzutun. Also muss mein Sohn nicht um Sozialkontakte betteln, sondern sie ergeben sich ganz natürlich. Durch den Übersetzer an seiner Seite fühlt er sich dabei sicher und er kann frei agieren.

      Zitat: „Im Übrigen hat unsere Trainerin uns und der Lehrerin auch vermittelt, dass wiederholende zwanghafte Handlungen ein Zeichen von Stress sein können und möglichst nicht unterbunden werden sollen. Wir setzen jetzt bei solchem Verhalten konsequent auf Stressabbau und Beruhigung.“

      Durch was wird der Stress ausgelöst, das ist bei uns eine sehr zentrale Frage. Und wie kann man den Stress verhindern. Dies vermisse ich in Deiner Darstellung von ABA sehr. Es kommt nirgends in Deiner Beschreibung vor.

      Ebenso finde ich die Bezeichnung „Trainerin“ im Bezug auf Therapie symptomatisch. Das Kind wird also nach Deiner Beschreibung trainiert und nicht therapiert.

  7. (Die Debatte) Erinnert mich ziemlich an die Geschichte mit Ritalin. Entweder du bist dafür, oder ein dummer Hater, der keine Ahnung hat, und womöglich bekriegt werden muss. So jedenfalls die Logik der Befürworter. Das war vor 20 Jahren so, und ist leider noch heute so.

    Eltern und sonstige „Second Hand“-Betroffene sind aber auch meistens völlig überfordert, ziehen ungern an einem Strang, und nach ein paar Jahren Händeringerei, unfähigen Mitmenschen und „Experten“, sehen sie irgendwann jegliches Schlangenöl als die ultimative Lösung und Heilung an.

    Wobei mich ABA als solches eher an „Homosexual-Umerziehungs“-Therapie erinnert, wie das gerne in den USA von erzkonservativen Christen betrieben wird. Nachher ist der „kranke“ Homosexuelle plötzlich wieder heterosexuell, auch wenn sich faktisch nichts am inneren Zustand geändert hat. Nach außen hin wirken wir aber wieder „normal“ .. vermutlich bis zur nächsten Katastrophe. Suizid nicht ausgeschlossen. Oder gleich Bowling for Columbine ^_^

    cu, w0lf.

    1. Und auch wenn ich andernortens schon gemein hab: „1. April – ein Tag zum im Bett bleiben“, ergänze ich doch noch mal: Erinnert vieles an andere Beeinträchtigungen, z.B. Schwerhörigkeit oder Seh“behinderung“.

      Meine Mittlere Reife als auch Fachhochschul-Reife habe ich an einer integrativen Schule für Schwer- und Guthörende gemacht (SHS). Da gab es Guthörende wie mich, Schwerhörige und Resthörige. Letzteres sind idR. entweder ehemals Gehörlose, die mittels eines Cochlea-Implants nun zumindest zu einem kleinen Teil (= „Rest“bereich) vernünftig hören können, teils auch „normale“ Schwerhörige, deren Gehör dadurch „verbessert“ wird (mehr Höhen/Tiefen/Zwischentöne/Teilbereiche).

      Ich will jetz gar nicht so ins Detail gehen, aber die Parallelen – und Probleme, vor allen mit den „normalen“ Mitmenschen – sind für mich unübersehbar bzw. springen einem förmlich ins Gesicht ..

      .. auch das ganze Rundherum, Verharmlosungen, abschätziges Verhalten („der is doof – der hört doch nix!“, „tauber Trottel!“), usw.

      cu, w0lf.

  8. danke für den beitrag.
    unser sohn ist 6 jahre alt, lebt mit hfa, in ungarn.
    das allgemeine unwissen über autismus, und auch das oberflächliche wissen und interesse viele pädagogen und ärzte haben mir, als vater eines autistischen kindes, die letzten jahre sehr schwer gemacht. so auch dem heranwachsenden jungen.
    der konformismus ist in ungarn tief verwurzelt, sowohl in der gesellschaft, als auch in der pädagogik.
    dank jahrelange recherchen im internet kann ich heute mein kind so wahrnehmen, verstehen, wie er tatsächlich ist.
    und muss nicht mehr der traurige und oft ratlose vater für ihn sein.
    ich möchte diesen beitrag ins ungarische übersetzen, wenn erlaubt, damit anderen eltern und betroffenen geholfen werden kann. damit auch andere besser verstehen können, dass autismus keine krankheit, sondern eine andere art der wahrnehmung des daseins ist, die man nicht bekämpfen, sondern verstehen und akzeptieren soll.
    mfg
    j kocsis

    1. Lieber Herr Koscis,

      gern dürfen Sie diesen Artikel übersetzen, wenn Sie ihn als Übersetzung kennzeichnen und mich als Autorin nennen.
      Ich wünsche Ihnen und Ihrem Jungen alles Gute und freue mich von Herzen, dass Sie einander so gut verstehen.

      Viele Grüße
      Marlies Hübner

  9. Man kann und sollte Bestrafungen von kleinen autistischen Persönlichkeiten nicht anwenden!!!! Ich habe zwei Kinder mit Autismus (dav 1 sogen. Canner) großgezogen. Es ist oft nicht leicht, aber am Ende machbar. ABA ist wirklich das Schlimnste, was man ihnen antut! Das würde man auch nicht bei Nichtautisten anwenden, weil es von vornherein Spannungen auf- anstatt abbaut!

  10. Ein wirklich guter Text! Danke!
    Ich habe bei einem Symposium an einem Workshop zum Thema ABA teilgenommen. Auf meine Nachfrage wurde mir erklärt, dass die gängige Kritik an ABA von falschen Grundlagen ausgehe. Man halte sich streng an ethische Richtlinien. Als die vortragende Psychologin dann die Theorie erläuterte, kam als erstes Beispiel, wie man den Autisten dazu bringt, „Wasser“ zu sagen – indem man ihm das Wasser erst gibt, wenn er diese Aufgabe erfüllt.
    Auf meine Nachfrage, was daran ethisch sei, einem Menschen mit Behinderung die Flüssigkeitsaufnahme zu verweigern und somit vielleicht starke Ängste in ihm auszulösen, wurde mir erklärt, das sei nicht unethisch, denn nur auf diese Weise könne der Autist ja lernen, seine Bedürfnisse zu äußern. Und das sei ja für ihn selbst und für die Familie von Vorteil.
    Eine anwesende Familie mit ASS/ADHS-Kind berichtete, wie viel leichter der Alltag für sie geworden sei. Ich konnte sie irgendwie verstehen, aber mein Widerwille legte sich trotzdem nicht.
    Und dann erzählten sie, dass die Therapie zwar von der Psychologin „delegiert“ würde, dass die alltägliche Betreuung aber ungelernte Kräfte übernähmen. Eine dieser „Therapeutinnen“ war ebenfalls anwesend – eine Schülerin! Sie strahlte ins Publikum und berichtete, sie wolle ohnehin Psychologie studieren, da sei die Arbeit mit dem Jungen „eine tolle Vorbereitung“. Und es mache „sooo viel Spaß“, mit ihm zu arbeiten. Sie sei völlig begeistert vom ABA-Konzept.
    Mich hingegen hat es gegruselt. Ich war leider die Einzige, die sich kritisch geäußert hat. Und nach mehreren Stunden voller Vorträge über „Autisten“ im Vergleich zu „Gesunden“ (auch Herr Dr. Vogeley benutzte diese Terminologie) hatte ich keine echte Energie mehr. Was mir im Nachhinein leid tut. Ich hätte die Anwesenden mit Fragen löchern sollen.
    Was für eine fragwürdige und abstoßende Therapieform.

  11. Vielleicht möchtest du den Satz zur Förderung durch die Aktion Mensch ändern? Oder ergänzen, dass selbst die ABA nicht mehr fördern wollen.

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