Vaxxed – die Zelluloid gewordene Stigmatisierung

 

Fast konnte man hoffen, Andrew Wakefield sei nach den Skandalen um seine gefälschten Impfstudie von der Bildfläche verschwunden. Im vergangenen Jahr wurde man leider eines besseren belehrt. Als Drehbuchautor und Regisseur wagte er seine Rückkehr auf die Bühne – und das sogar im Kinoformat. Mit seinem Film Vaxxed – die schockierende Wahrheit möchte er erneut die inzwischen mehrfach widerlegte These der autismusverursachenden MMR-Impfung unter das Volk bringen. Aufgrund seiner gefälschten Studie, mit der er vergeblich die These zu untermauern versuchte, wurde ihm die Approbation entzogen.
Im 90 Minüter Vaxxed – die schockierende Wahrheit inszeniert er sich als Opfer einer weltweiten Pharma-Verschwörung, die das Ziel verfolgt, der Menschheit gesundheitlich zu schaden, um so noch mehr Geld verdienen zu können. Mit Robert DeNiro fand diese bizarre Verschwörungstheorie einen prominenten Unterstützer, trotzdem wurde sein Film nach Protesten vom renommierten Tribeca Film Festival abgelehnt. Auch in London und Brüssel scheiterte er. Nun hat diese unglückseelige Rolle Zelluloid einen deutschen Verleih gefunden: Die Busch Media Group GmbH und Co. KG.

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Im vom Gesundheitssystem gut versorgten Deutschland treffen Wakefields krude Ideen auf offene Ohren. Der Kopp-Verlag begeisterte sich ebenso dafür wie diverse Plattformen von Impfgegnern und Chemtrail-Ängstlichen.
Galten die Masern schon als nahezu ausgerottet, ist nun eine erschreckende Zunahme der gefährlichen Infektionskrankheit zu beobachten. Seit 2014 haben sich mehr als 22.000 Menschen in 7 europäischen Ländern mit den hoch ansteckenden Masern infiziert. Am häufigsten erkranken Babys und Kleinkinder.
Zum Krankheitsverlauf sagt das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in Österreich:

„Bei 20 von 100 Fällen von Masern treten Komplikationen wie Bronchitis, Mittelohr- und Lungenentzündung auf. Bei etwa einem von 1.000 Erkrankten kommt es zu einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung. Sehr selten kann Jahre später ein Gehirnzerfall auftreten, der immer tödlich verläuft. Man nennt diese Spätfolge subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Besonders gefährdet sind Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken oder während der Geburt angesteckt werden. Zudem verursachen die Masern durch Schwächung des Immunsystems ein mehrere Jahre anhaltendes erhöhtes Risiko, an anderen Infektionskrankheiten zu sterben.“ 

Masern bilden eine reale und tödliche Gefahr, der sich Dank von den Krankenkassen finanzierten Schutzimpfungen wirklich niemand aussetzen muss.

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Die Inszenierung dieser widerlegten, unwissenschaftlichen Impf-Intrige hat noch eine weitere abstoßende Seite. Für Wakefield und somit auch für seine Produktion scheint Autismus das Schlimmste zu sein, was der Menschheit zustoßen kann. Eine Epidemie, gegen die wir wehrlos sind, ein grenzenloses Leiden. Damit stigmatisiert und diskriminiert er sehenden Auges etwa 1% der Menschheit. Bei einer Weltbevölkerung von rund 7,47 Milliarden Menschen sind das nicht gerade wenige. Doch auch die Eltern autistischer Kinder werden von ihm stigmatisiert. Sie haben einer Impfung zugestimmt und sind so – Wakefield zufolge – Schuld am Autismus ihrer Kinder.
Wakefield fördert durch die Verbreitung seines Machwerks also die Ausbreitung einer schwerwiegend bis tödlich verlaufenden Infektionskrankheit und setzt Eltern einer massiven psychischen Belastung aus, indem er sie als die Schuldigen am Autismus ihrer Kinder identifiziert. Natürlich ist niemand Schuld an einer neurologischen Diversität wie Autismus, am wenigsten die Eltern!
Trotzdem zeigen mehrere deutsche Kinos wie das Kino am Raschplatz + Hochhaus Hannover, das Citydome Rosenheim und der Traumpalast Biberach Vaxxed – die schockierende Wahrheit völlig unkritisch, auch mit Anwesenheit Wakefields.

Ich persönlich wünsche mir, dass nicht nur Autist*innen und deren Angehörige gegen diese offene Stigmatisierung und Diskriminierung vorgehen, sondern sich noch viele andere dem Protest gegen die Filmvorführungen von Vaxxed – die schockierende Wahrheit anschließen. Die Diskriminierung von Autist*innen und deren Eltern durch einen auf manipulierten Fakten basierenden Film sollten wir nicht hinnehmen.

5 Gedanken zu „Vaxxed – die Zelluloid gewordene Stigmatisierung

  1. Danke für den Hinweis.
    Ich habe soeben eine Email an die Jugendschutzbeauftrage des Kinos in Hannover geschickt,

    Silke Scheller, info@filmkunstkinos-hannover.de.

    Das können sicherlich noch viele andere machen, um das Kino auf den Unsinn hinzuweisen.
    Bei euren Mails nicht polemisch werden, damit es Ernst genommen wird – und kurz und knackig, damit es gelesen wird.
    Das die den Menschen hierher, einladen ist echt unglaublich.

  2. „Natürlich ist niemand Schuld an einer neurologischen Diversität wie Autismus…“ Ist das so zu verstehen, dass die Ursachen für die Entstehung von Autismus auch heute noch unbekannt sind?

  3. Protest lohnt sich. Soeben habe ich die Antwort des Kinos in Hannover erhalten. Sie werden den Film nicht zeigen, auch der Auftritt von Mr. Wakefield ist damit abgesagt.

    Sehr geehrter Herr Schmitz,

    vielen Dank für Ihre Mitteilung.
    Wir sagen die Veranstaltung aus Sicherbedenken ab, da inzwischen Mitarbeiter unseres Kinos angegriffen wurden. Wir wollten lediglich die Möglichkeit zur Diskussion bieten. Uns liegt fern, den Film inhaltlich zu beurteilen, da wir ihn noch gar nicht sehen konnten. Das Wohl unserer Gäste und Mitarbeiter geht für uns aber vor.
    Mit bestem Gruß
    Torben Scheller

    Nur zur Klarstellung: Ich habe natürlich keine Mitarbeiter des Kinos angegriffen, da gab es offensichtlich weitere Aktivitäten.

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