Mit Autisten umgehen.

„Hey, Weltraummädchen, schreib doch mal darüber, wie man mit Autisten umgeht!“

Ich runzele die Stirn, massiere mit Daumen und Zeigefinger meine Nasenwurzel, hole tief Luft und beginne zu tippen:
„Also. Du solltest immer Leckerlies dabei haben. Macht der Autist etwas besonders gut, hält er zum Beispiel von sich aus Augenkontakt oder reicht Dir die Hand zur Begrüßung, muss er belohnt werden. Um ihn zu strafen, nimm eine zusammengerollte Zeitung und…“ Halt, nein! LÖSCHEN! LÖSCHEN! Die Gefahr, dass der Fragesteller diese Worte nicht als höchst sarkastisch erkennt, ist einfach zu groß.

Das größte Problem beim Umgang mit Autisten ist wohl, dass wir alle einfach nur Menschen sind und so wie alle Menschen ist unsere Persönlichkeit und damit auch die Ausprägung des Autismus sehr individuell zu verstehen. Nicht umsonst sagt man gern „Kennst Du einen Autisten, dann kennst Du genau einen Autisten“. Wenn man mich also nach dem idealen Umgang mit Autisten fragt, muss ich erklären, wie man generell mit Menschen umgeht und es tut mir leid, davon verstehe ich nun wirklich nichts.

Sicher, es gibt autistische Besonderheiten, die sich häufen. Dass man uns nicht in Situationen zwingen sollte, die uns überfordern, unsere Grenzen respektiert, idealerweise auf eine klare, eindeutige Kommunikation achtet und unsere Gutmütigkeit und Leichtgläubigkeit nicht ausnutzt, gehört sicher dazu. Wir möchten mit unserem Sein ernst genommen werden. Doch das als autistische Alleinstellungsmerkmale zu bezeichnen, wäre schlichtweg falsch.

So kann ich eigentlich nur eines sagen: Sei nett zu Deinem Gegenüber, begegne ihm freundlich und offen, gleich, ob es ein neurotypischer Mensch oder ein Autist ist. Solltest Du jedoch Fragen zum Umgang mit meiner Person haben, dann nimm Dir etwas Zeit. Ich habe einiges zu erzählen.

9 Gedanken zu „Mit Autisten umgehen.

  1. Ich unterstütze deinen Standpunkt voll und ganz.
    Meiner Meinung nach lässt sich die Frage durch eine leichte Modifikation ihrer selbst schon beantworten, da sie die Antwort dann schon enthält: „Hey, Weltraummädchen, schreib doch mal darüber, wie man mit Individuen umgeht!“ 😉

  2. Die Frage wurde wohl gestellt, weil derjenige NT die Kontaktaufnahme mit dem Autisten in irgendeiner Weise heikel fand. Dazu sage ich, sie kann in beiden Richtungen heikel sein.
    Der Autist kann irritiert werden. Das wäre blöd, aber nichts neues.
    Der NT kann irritiert werden, was aus meiner Sicht sehr interessant, weil eine besondere Chance auf eine sehr hilfreiche Irritation, ist:
    Autisten verweigern häufig das „Gedanken lesen“. d.h. sie denken voraussetzungslos. Sie halten sich nicht an Genderregeln, missachten hierarchische „must-haves“, nehmen Idioms und Anspielungen wörtlich, u.s.w.
    Was geschieht dabei?
    Der NT wird in der Begegnung aus seinem Bezugsrahmen gelöst und dadurch destabilisiert. Ohne Bezugsrahmen bliebt als tragendes Korsett für die Psyche nur der Moment, nur die Begegnung, nur das Thema. Der NT macht quasi eine autistische Erfahrung. Er wird für den Zeit-Raum der Begegnung von seinen Lebens-„Lügen“ gelockert und stark fokussiert. Er kann nicht von den üblichen Floskeln ausgehen und sich von dem gewohnten Singsang seiner Stimme tragen lassen. Er muss Tat-Sächlich kommunizieren.
    Ich empfinde das als Chance.

    1. Das ist gut formuliert.
      Während jedoch der Autist diese Irritationen und Schwierigkeiten täglich erlebt und kennt, ist es dem NT zumeist fremd und er ist schneller überfordert und abgeschreckt.
      Ich bin der Meinung, Entgegenkommen, Rücksichtnahme, Toleranz und Nachsicht ist von beiden Seiten erforderlich. Zu viele Autisten ruhen sich auf ihren Unzullänglichkeiten aus.

      1. Das merkwürdigste dabei,
        suchen meine Kinder sich den Kontakt selbstständig, dann können sie viel besser darauf eingehen, dass das Gegenüber (NT) „komisch“ sein kann und nehmen das hin.

        Ist der Kontakt gezwungenermaßen entstanden (Schule oder so), dann ist es um einiges schwieriger.

        Ich erkläre mir das so, dass das „Verletzungsrisiko“ dann höher erscheint und eher das Abblocken genutzt wird. Und die Häufigkeit des Kontaktes begünstigt mitnichten eine gute Kommunikation.

    1. Meine volle Zustimmung dazu. Wobei ich immer ein wenig ungezogen bin bei der Abkürzung „NT“. Könnte auch für „Neues Testament“ oder „Null- oder Normaltarif“ stehen. Jeder Nürtinger würde mir aber bei solchen Worten den Hals im sprichwörtlichen Sinne umdrehen.;-)

      1. Mir gefällt der Begriff allistic inzwischen fast noch besser als neurotypisch. Nicht jeder, der kein Autist ist, ist automatisch neurotypisch, sondern kann auch neurodiverse sein. 😉

  3. Wie? Ernsthaft jetzt? Autisten sind unterschiedlich? Wirklich? *Ironie und Sarkasmus Ende* Die Frage an sich ist wirklich heikel. Auf der anderen Seite kann man es als sehr freundlich und offen betrachten, dass jemand etwas darüber wissen will, dass jemand wissen will „Was kann ICH tun, dass der Kontakt gelingt“.

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