How to date an autistic

Geht man davon aus, dass nach derzeitigem Kenntnisstand etwa 1% der Menschen AutistInnen sind, ist es statistisch gesehen recht wahrscheinlich, früher oder später einen von ihnen zu daten. Egal, ob wissentlich oder nicht. Erfahrungsgemäß kommt es dabei zu von der Norm abweichenden Situationen, nicht nur für schnell überforderte neurotypische DatepartnerInnen. Um diese möglichst zu minimieren, kann man sich an ein paar Regeln halten. Regeln, magst Du jetzt sagen, Regeln sind doch so 1950, vor allem beim Dating. Aber AutistInnen lieben Regeln. Also halt Dich dran, oder gehe mit jemandem aus, dessen neurologische Gegebenheiten so durchschnittlich sind wie die Anzüge von Markus Lanz.
Und komm uns bloß nicht mit superoriginellen Autistenwitzen, um das Eis zu brechen und Deine Unsicherheit zu überspielen. Wir kennen sie alle und Du erreichst damit maximal eine Platzierung in unseren Vollidioten-Charts, aber nicht unser Herz.

Wann?
Wir AutistInnen sind in etwa so spontan wie Hefeteig. Wenn Du nicht organisiert an ein Date herangehst, geht die Sache nicht auf. Nachrichten mit dem Vorschlag, eben mal vorbeizukommen oder sich nachher bei diesem total hippen Event zu treffen, sind daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. 
Ein Datum in absehbarer, doch naher Zukunft ergibt mehr Sinn. So haben wir genügend Vorbereitungszeit, um alles minutiös zu planen und in panische Denkschleifen zu verfallen und doch nicht so viel Zeit, um vor Angst wieder abzusagen.
Spontane Änderungen von Uhrzeit und Ort der Verabredung sind übrigens keine gute Idee. Du kannst davon ausgehen, dass wir uns einen detaillierten Plan für den Anfahrtsweg erstellt haben, inklusive Pufferzeiten und Notfallplänen für Busexplosionen und Godzilla-Angriffen. Du willst doch nicht, dass dieser dann verfällt. Nein, das willst Du wirklich nicht.

Wo?
Es kann schon sein, dass dieses eine Café in der konzeptionellen Mall den besten Kaffee in der ganzen Stadt anbietet , es beinhaltet aber wahrscheinlich auch mehr Menschen, als die durchschnittlichen AutistInnen in dem letzten 10 Jahren freiwillig getroffen haben. Ein Konzert oder ein Club sind jetzt auch nicht unbedingt die besten Orte, um einen Menschen mit Autismus zu daten. Zum einen werden wir aufgrund des Lärms kein Wort von dem verstehen, was Du so von Dir gibst, zum anderen bist Du noch nicht bereit, uns in einem Overload zu erleben. Auch, wenn Du Dich für stark und einfühlsam hältst. Du bist es nicht. Außerdem ist es auch für uns nicht sonderlich angenehm, wenn uns ein Fremder in solch einem intimen, verletzlichen Zustand erlebt. 
Lass uns lieber etwas langweiliges machen. Wie wäre es mit einem Spaziergang? Ein Museumsbesuch? Frag einfach mal nach, was uns so interessiert.

Was?
Wenn wir oft nachfragen, was Du grad nochmal gesagt hast, liegt das in den häufigsten Fällen nicht daran, dass wir schwerhörig sind. Dann ist in der Regel der Geräuschpegel um uns herum derart hoch, dass wir Deine Stimme nicht mehr aus dieser Alltagskakophonie herausfiltern können. Deine Worte gehen in einer Wand aus Lärm unter. 
Wenn wir Dir nicht in die Augen sehen, ist das ebenfalls kein Zeichen mangelnden Interesses. Wir wollen das einfach nicht. Es ist nicht angenehm, also erwarte es auch nicht. Diese Angewohnheit, Dein Gegenüber beim Reden zu berühren, um Nähe herzustellen, wird mutmaßlich mehr Abstand verursachen, als Du Dir vorstellen kannst. Lass es einfach.
Und wenn Du auf die Idee kommst, dass Dein Date all Deine zahlreichen Freunde kennen lernen soll, am besten alle auf einmal: Es war schön mit Dir. NEXT!


Warum?

Das wirst Du Dich vermutlich fragen, wenn wir auch beim 10. Mal nicht checken, was Du eigentlich von uns willst. Dabei hast Du es doch so rücksichtsvoll subtil in Deine Worte eingebaut.
Die Intention war ja toll, Du hättest es Dir aber auch sparen können. AutistInnen sind in der Regel nicht dumm, im Gegenteil. Auch, wenn das manchmal so wirken sollte. Wir kommunizieren nur anders. Das mag für Dich befremdlich sein, wenn Du das noch nicht kennst, macht Gespräche mit uns aber unfassbar entspannt. Wenn Du etwas fragst, bekommst Du eine ehrliche, direkte Antwort. Immer. Alles, was Du auf der Informationsebene kommunizierst, kommt bei uns an. Die Informationsebene beherrschen wir perfekt und kommunizieren darauf mit einer hohen Präzision. Nonverbales, mimisch überbrachte Botschaften, Subtext und andere diffus verpackte Informationen hingegen sind reine Energieverschwendung. In den meisten Fällen bemerken wir sie gar nicht. Wir senden sie übrigens auch nicht bewusst aus, wilde Interpretationen unserer Worte sind daher ebenfalls überflüssig. Daran musst Du Dich erst gewöhnen, das versteht jeder autistische Mensch. Das klappt übrigens schneller, je mehr man miteinander kommuniziert.

Wenn Du etwas wissen oder verstehen möchtest, liefern wir die entsprechende Information oder sagen Dir, dass wir sie nicht haben. Wenn Du trotzdem mal das Gefühl hast, irgend etwas stimmt nicht, dann hake eben nach. Wir werden es Dir dann schon sagen. Überhaupt: Stell Fragen. Über alles, was Dich verunsichert oder neugierig macht. Und wenn Du damit fertig bist, stell noch ein paar mehr. Einfach, oder? Genau.

Wieder?
Wenn wir uns immer am gleichen Tag oder am gleichen Ort treffen wollen, dann deshalb, weil wir Rituale lieben. AutistInnen können alles zu einem Ritual machen. Mahlzeiten, Serien, Hausarbeit, Wortwitze, Dates. Das tut uns gut und vermittelt uns Sicherheit und Kontinuität. Wir wissen, woran wir sind und vermeiden damit Stress, was uns Kapazitäten gibt, auch mal etwas anstrengenderes mit Dir zu unternehmen. Es ist also eine ziemlich gute Idee, mit uns Rituale zu kreieren, abgesehen vom Romantikfaktor, den so eine Aktion für uns hat.
Denk mal nach. Du findest es doch auch gut, dass Deine Mutter jeden Sonntag zur gleichen Zeit anruft und nicht dann, wenn Du eigentlich was besseres vorhast.

Dich mag es vielleicht auch irritieren, wie sehr wir für ein Thema brennen können und wie schnell wir in einer Sache Experte werden können. Das sind keine Inselbegabungen, das ist einfach nur ein Spezialinteresse. Das musst Du nicht verstehen, nimm es einfach hin. Und wenn Du gut bist, dann wirst Du mal unser liebstes Spezialinteresse.

Wir?
Du magst Dein autistisches Date? Du hast ernsthaftes Interesse an ihm oder ihr und kannst Dir vorstellen, dass ihr einmal gemeinsam händchenhaltend im Overload vor- und zurückschaukelt?
Dann lesen wir uns bald wieder im Teil 2:
“How to love an autistic”.

2 Gedanken zu „How to date an autistic

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